Nachfolgereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer
 

Wenn der Chef plötzlich arbeitsunfähig wird oder sogar stirbt, gesellt sich zur persönlichen Trauer auch noch die existenzielle Frage: Und was wird aus der Firma? Wie der aktuelle Nachfolgereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt, hat nur rund jeder vierte Seniorunternehmer einen Notfallkoffer vorbereitet, der alle erforderlichen Dokumente für eine reibungslose Übergabe enthält. Erschreckende 73 Prozent verzichten darauf, Vollmachten und Vertretungspläne, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstrukturen sowie Bankverbindungen, Zugangsdaten und das Testament für eine Vertrauensperson zusammenzustellen – und regelmäßig zu aktualisieren. „Offenbar“, so schreiben die Autoren des DIHK-Reports, „ist die psychologische Barriere, sich mit Unfall, Tod oder Krankheit auseinanderzusetzen, stark verfestigt.“

Bei der Firma Messingschlager in Baunach ist der Generationswechsel ein stetiger Prozess. Das Unternehmen handelt mit Komponenten, Zubehör und Werkzeug für Fahrräder; Abnehmer sind rund 2000 Großhändler in mittlerweile 65 Ländern weltweit. Egal ob es hagelt oder stürmt, Firmenchef Benno Messingschlager kommt jeden Tag mit dem Rad ins Büro. Aus Sicht des 50-Jährigen schadet es nicht, sich deutlich mit dem Betrieb zu identifizieren. Das gilt auch für die Belegschaft: Jeden Tag gibt es ein Fahrradlotto. Dabei wird der Name eines Mitarbeiters ausgelost; ist dieser mit dem Drahtesel zur Arbeit gekommen, erhält er den Jackpot. Wenn nicht, bleibt die Lottosumme dem Radler von morgen oder übermorgen erhalten. Die Summen sind klein, dennoch schwingen sich die Kollegen überdurchschnittlich häufig in den Sattel.

 

 

Firmenchef Messingschlager gelingt es nicht nur, seine Mitarbeiter zu motivieren. Auch die Familie weiß er hinter sich zu versammeln und einzuspannen: Sein Vater Rudolf ist zwar schon 82, wirkt aber als Berater sowie Experte für Fracht und Logistik am Tagesgeschäft mit. Sohn Toni, 21 und angehender Wirtschaftswissenschaftler, bringt sich auf Projektbasis und als Semesterferienjobber ein und rockt bei den Betriebsfeiern gern die Tanzfläche. Ein Familienunternehmen kennt eben keine scharf gezogenen Grenzen zwischen Arbeit und Spaß, Tradition und Moderne, Geschäft und Privatem. „Wir haben zu Hause laufend über die Arbeit gesprochen und versucht, das Interesse dafür an unsere Kinder weiterzugeben“, erinnert sich Rudolf Messingschlager. Dies gelingt nun bereits in der vierten Generation. Die Messingschlager GmbH & Co. KG wurde schon 1924 von seinen Eltern Anton und Gunda gegründet. Stets war es der Sohn, der in die Fußstapfen seines Vorgängers trat – Rudolf Messingschlager mit 15, als der Vater plötzlich starb; Benno gegen Ende seines Wirtschafts- und Sportstudiums 1989 und Toni, in kleinen Schritten, schon jetzt während seiner Studienzeit. 
 

Vor zwei Jahren erhielt das Unternehmen den „n-tv Hidden Champion“-Award für erfolgreichen Generationswechsel. Herausragend fand die Jury vor allem den regen Austausch zwischen Jung und Alt, und das Bewusstsein der Messingschlagers, dass kein Senior die Geschicke des Unternehmens für alle Zeiten allein prägen kann. „Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, um das Zepter peu à peu zu übergeben und dann tatsächlich loslassen zu können, das ist das Wichtigste beim Generationswechsel“, resümiert Benno Messingschlager.

Nicht jeder meistert den Aus- oder Umstieg so leicht wie sein Vater Rudolf. Laut DIHK-Report packt fast jeder zweite Chef das unbequeme Thema Nachfolge zu spät an. Allein die Suche und Übergabe dauern etwa drei Jahre – will der Inhaber sein Unternehmen noch für die kommende Generation fit machen, sollte er dafür sogar rund zehn Jahre einkalkulieren. Doch mehr als 80 Prozent der Seniorunternehmer, welche die Handelskammern um Unterstützung bei der Nachfolgersuche bitten, geben sich weniger als zwei Jahre zur Lösung des Problems. Diese Zeit ist vor allem deshalb sehr knapp bemessen, weil nicht nur innerhalb von Familien das Interesse an der Selbstständigkeit sinkt. Der demografische Wandel und attraktive Aufstiegschancen auf dem Arbeitsmarkt lassen insgesamt die Zahl der Kandidaten schrumpfen – 2013 gab es erstmals mehr Altinhaber als potenzielle Betriebsübernehmer.

Das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen, dazu gehört bei Messingschlager, Kernkompetenzen zu stärken, Kundenkontakte und Produktpalette zu pflegen. Marktentwicklungen mit einer soliden Basis fließen in Geschäftsentscheidungen ein, zum Beispiel das Wachstum der Fahrradbranche in Osteuropa. 

„Ein stetiges, maßvolles Wachstum ist uns lieber als sprunghafte Expansion“, fasst Benno Messingschlager die Nachhaltigkeitsstrategie zusammen. Den Ausbau des Unternehmens finanziert die Familie lieber selbst statt auf Pump. Sie will unabhängig von den Banken bleiben. Mit einem angegliederten Concept-Store, einer kundenfreundlichen Werkstatt und einem eigenen Bike-Café wollen die Messingschlagers darüber hinaus lokale Verbundenheit demonstrieren. Dazu zählt auch, ein verlässlicher Arbeitgeber zu sein, der lange Betriebstreue würdigt. Zeitarbeit passt da nicht ins Konzept.

Die Mitarbeiter goutieren das. „In einem Familienunternehmen herrscht eine innigere Beziehung zwischen Geschäftsführung und Geschäft“, hat Marketingleiter Martin Buchta festgestellt und auch gleich eine Erklärung dafür parat: „Schließlich hängt das Wohlergehen der Familie davon ab.“ Ein weiterer Vorteil: In schwierigen Zeiten steht mit dem Know-how von Generationen eine wertvolle Ressource zur Verfügung.

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