Corona & Co.: Einflüsse auf die globalen Textil-Beschaffungsmärkte

Der Ausbruch von Corona hat die globalen Wirtschaftsabläufe stark beeinflusst. Das betraf und betrifft nicht zuletzt die Lieferketten, von denen kaum eine so ist wie vor der Pandemie. Auf Marken, Einzelhändler und Hersteller (nicht nur) der Modebranche kamen 2020 und 2021 ungewohnte Herausforderungen zu, mit denen sie oft heute noch zu kämpfen haben: Aufträge wurden in großem Umfang storniert, Produktionsquellen versiegten, während gleichzeitig Überbestände die Lager füllten und zahlreiche Betriebe sich neu aufstellen und konsolidieren mussten.

Zwar erholen sich die wichtigsten Nachfragemärkte, doch viele Produktionsländer können weiterhin die Bedarfe nur unzureichend befriedigen. Außerdem läuft der Transport über die Handelswege oft eingeschränkt, sind wirtschaftliche Beziehungen aus politischen Gründen angespannt und Rohstoffe knapp. Welche Folgen das für den globalen Beschaffungsmarkt am Beispiel des Bekleidungssektors hat, zeigt der „Global Sourcing Reference 2022”-Report. Für die Studie hat Accenture Strategy zwischen November 2020 und Mai 2021 Einkaufsleiter von nordamerikanischen und europäischen Einzelhandelsunternehmen (Gesamtumsatz mehr als 180 Mrd. US-Dollar) befragt.
 

Report: Europa hat profitiert, Asien verloren

Eine wesentliche Erkenntnis des Reports: Das Beschaffungsvolumen für die Regionen Nordamerika und Europa ist 2020 deutlich zurückgegangen. Allein in Europa verringerte es sich um gut ein Drittel (32 Prozent). Das bekamen vor allem Lieferanten in Fernost zu spüren.

So offenbart ein Blick auf die Marktanteile, dass eine Rückverlagerung von weiter entfernten Beschaffungszielen näher an Europa oder Nordamerika stattfindet. Das ist eine Reaktion auf die andauernde Volatilität sowie die Risiken auf Nachfrage- und Angebotsseite. Kürzere Wege erlauben es Unternehmen bei kurzfristigen Entwicklungen, spät zu entscheiden und schnell zu reagieren.

Dieser Trend zeigt sich beispielsweise an China. Das Land stellt aktuell 25,3 Prozent der europäischen Bekleidungsimporte und hat immer noch den größten Marktanteil. Doch zum Vergleich: Im Jahr 2014 lag er noch bei 34 Prozent, im Jahr 2011 sogar bei mehr als 40 Prozent. Vergleichbare Einbußen zeigen sich auch bei den Textillieferanten in Bangladesch, Indien, Kambodscha und Sri Lanka.

Demgegenüber litten Anbieter in der Nähe der europäischen Beschaffungsmärkte wie die Türkei, Polen, Tunesien oder Rumänien weniger unter der Krise (minus 27 Prozent). Relativ gesehen konnten sie ihre Marktposition sogar ausbauen.
 

Herausforderungen des aktuellen Beschaffungsmarktes

Die Studie befragte die Beschaffungsmanager im Einzelhandel auch nach ihren weiteren Herausforderungen, Prioritäten und Prognosen. Dabei konnten bis zu drei Punkte für maximale Relevanz vergeben werden.
 

Die Hälfte der Sourcing-Führungskräfte nimmt außerdem an, dass der gesamte Umfang im Beschaffungsmarkt steigen wird. 39 Prozent rechnen überdies mit einem Anstieg der Volumina pro Bestellung. 67 Prozent erwarten außerdem, dass sich die Lieferantenportfolios verringern.

Im Einklang mit den Bedenken hinsichtlich Liefermarkt- und Lieferantenstabilität, Materialverfügbarkeit und Transportkosten sehen 72 Prozent der Befragten eine wahrscheinliche Zunahme der Nearshore-Beschaffung und ebenso viele eine stärkere Einbeziehung der Marken in das Material-Management. 61 Prozent erwarten von den Lieferanten, dass diese sie stärker in die Produktinnovation einbinden.