Ad-hoc-Lieferketten in der Corona-Krise

Eine gute Supply Chain ist stabil und zuverlässig. Doch manchmal reißt auch die stärkste Lieferkette, wenn sie unerwartet und übermäßig strapaziert wird. Beispiel Corona: Die Pandemie und ihre Einschränkungen unterbrachen weltweit sogar die bis dahin solidesten Warenströme. Unternehmen mussten plötzlich ganz neue Rohstoffquellen und Geschäftspartner suchen. Die Rettung waren oft in aller Eile geschmiedete Ad-hoc-Lieferketten.

Darauf waren praktisch sämtliche Branchen angewiesen. Die Anbieter medizinischer Schutzausrüstung gehörten zu den ersten Unternehmen, die schnell handeln mussten. Ihre Produkte wurden quasi über Nacht extrem stark nachgefragt. Das Problem: Viele Betriebe waren auf Zulieferer im asiatischen Raum angewiesen, die jedoch wegen strenger Auflagen zum Gesundheitsschutz gleich zu Beginn der Corona-Krise schließen mussten. In der Folge konnte der explosionsartig angestiegene Bedarf in Deutschland nicht mehr erfüllt werden.

Die Hamburger Kühne Logistics University (KLU) hat untersucht, wie die Sparte mit der Situation umgegangen ist und wie sie Ads-hoc-Lieferketten in kürzester Zeit neu aufgebaut hat. Dazu wurden die leitenden Angestellten von rund vierzig Unternehmen befragt. Ihre Antworten haben Prof. Dr. Kai Hoberg, Prof. Dr. Jan Fransoo und KLU-Doktorandin Jasmina Müller zu einer Studie verarbeitet. Daraus ergibt sich, dass die Unternehmen:
 

  • soziale Verantwortung übernahmen
  • finanzielle Verluste im Kerngeschäft ausgleichen mussten
  • Entlassungen von Mitarbeitern vermeiden wollten
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Das Problem: Viele Betriebe waren auf Zulieferer im asiatischen Raum angewiesen, die jedoch wegen strenger Auflagen zum Gesundheitsschutz gleich zu Beginn der Corona-Krise schließen mussten. 

Studie: Herausforderungen beim Aufbau einer Ad-hoc-Lieferkette

Wegen der Corona-Pandemie sahen sich die Anbieter medizinischer Schutzausrüstung mit einer Reihe von Komplikationen konfrontiert. Betroffen davon war beispielsweise der Nachschub von:
 

Erschwerend zu diesen Engpässen kam eine große Unsicherheit hinzu, weil die Nachfrage nach medizinischer Schutzausrüstung einerseits immens war, andererseits aber sehr volatil. Deshalb mussten Produktionspläne täglich neu aufgestellt werden. Das brachte etablierte Team-Routinen durcheinander: Während motivierte Mitarbeiter engagiert zu Werke gingen und Überstunden leisteten, taten sich andere schwer mit ungewohnten und wechselhaften Prozessen.
 

Pragmatische Lösungen statt Standardprozesse

Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Lösungen! Nach diesem Motto passten die Unternehmen ihre Strategien an die außerordentliche Lage an. Statt auf standardisierten Verfahren zu beharren, suchten und fanden sie pragmatische Lösungen. Dazu einige Beispiele:
 

  • Testphasen und Zertifizierungen wurden vermieden, um Zeit zu sparen.
  • Produktionsaktivitäten wurden mit vertrauten Excel-Tabellen statt mit SAP-Tools geplant.
  • Textilhersteller verwendeten lagernde Stoffe für die Herstellung von Schutzmasken.
  • Chauffeure der Vorstandsmitglieder lieferten Desinfektionsmittel aus.
  • Regional und lokal ansässige Unternehmen arbeiteten verstärkt zusammen.
  • Die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen lief direkt ab, ohne Umwege z. B. über das Sekretariat oder eine Assistenz.
  • Desinfektionsmittel wurden zum Selbstkostenpreis verkauft.

Das Fazit von Prof. Dr. Kai Hoberg zur Studie lautet: Die befragten Unternehmen “sicherten sich in Rekordzeit Rohmaterialien, identifizierten neue Partner und passten ihre Produktionsprozesse an – und dies alles unter den herausfordernden Bedingungen im Corona-Lockdown.”