Herr Bruhn, inwieweit hat der digitale Transformationsprozess auch Auswirkungen auf das Personalwesen von Unternehmen?

 Horst-Dieter Bruhn: Die Digitalisierung beeinflusst den Faktor Personal enorm. Ganz gleich, ob der digitale Wandel durch Technologien vorangetrieben wird, die Bestehendes in kurzer Zeit verändern, oder ob der Wandel schleichend Einzug hält – gemeinsam ist allen Veränderungen, dass sie das Personalmanagement in mehrfacher Hinsicht vor große Herausforderungen stellen. Personaler stehen zudem in der Verantwortung, die Mitarbeiter im digitalen Wandel mitzunehmen, sie zu selbstbewusst handelnden Akteuren der Digitalisierung zu machen. Es wird sicherlich auf Dauer nicht ausreichen, als Zaungast darüber zu staunen, wie agil in den Digital Labs Lösungen realisiert werden. Es kommt darauf an, die für das eigene Unternehmen passenden Schlussfolgerungen aus diesen Hospitationen zu ziehen. Zum anderen gilt es, personalwirtschaftliche Prozesse und Instrumente vor dem Hintergrund des digitalen Wandels auf den Prüfstand zu stellen. Auch HR wird sich anpassen müssen, wenn im vernetzten Unternehmen Daten transparenter und entscheidungsrelevanter werden. 

Sind HR-Manager überhaupt in die Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens involviert oder zumindest darauf vorbereitet?

 Das Personalmanagement kann bzw. könnte das hohe Tempo bei der Digitalisierung der Wirtschaft weitestgehend mitgehen. Der Großteil aller Personalmanager verfolgt bereits eine eigene aktive Digitalisierungsstrategie für das Personalmanagement. Diese Strategie beschränkt sich nicht allein auf die Entwicklung der erforderlichen Kompetenzen bei den Beschäftigten. Vielmehr arbeiten Personalmanager aktiv daran, für die eigenen Prozesse und Instrumente das Potenzial der digitalen Transformation auszuschöpfen. Hierbei folgt die HR-IT-Strategie meist der allgemeinen IT-Strategie des Unternehmens. Bedenklich ist jedoch, dass nur wenige Personalmanager sich hierbei sicher sind, den Anforderungen des Datenschutzes immer zu entsprechen. Dieser Wert müsste deutlich besser ausfallen, wenn man sich vor Augen führt, vor welchen Herausforderungen HR-Manager im Rahmen des digitalen Wandels stehen. 

Können Sie ein Beispiel für eine dieser Herausforderungen nennen?

Aus den Innovationen der IT heraus entwickelt sich ein zunehmendes datenschutzrechtliches Konfliktpotenzial. Insbesondere Versäumnisse im Datenschutz im Kontext des Personalmanagements gelten als größte Gefahren des digitalen Wandels. Eine starke negative Wirkung auf die Reputation beim Kunden kann die Folge sein. 

Welche konkreten Chancen bietet die fortschreitende Digitalisierung speziell für den HR-Bereich in Bezug auf bestehendes Personal und aufs Recruiting?

Personalmanager sehen die Möglichkeit digitaler Technologien vor allem in der Optimierung eigener Prozesse und Instrumente. Die Verknüpfung von Daten unterschiedlicher Quellen für personalwirtschaftliche Zwecke wird zukünftig stark an Bedeutung gewinnen. Vor allem das Active Sourcing – also die aktive Datenbeschaffung in sozialen Netzwerken zur Direktansprache geeigneter Profile – wird immer beliebter und eröffnet neue Möglichkeiten im Recruiting-Prozess.

Eine nachhaltige Qualifizierung von Mitarbeitern und die zielführende Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern ermöglichen im Rahmen des Digitalisierungsprozesses ein innovatives Bewerber- und Mitarbeitermanagement. 

Wie hoch ist aus Sicht von Personalmanagern die Akzeptanz neuer IT-Technologien?

Sieht man sich den Markt für HR-Software und Dienstleistungen an, so ist eine zunehmende Cloud-Ausrichtung auffallend. Die Bereitschaft von Personalmanagern, die eigenen Prozesse von Cloud-Lösungen unterstützen zu lassen, ist jedoch eher zurückhaltend. Die Angst vor Datenverlusten prägt die Haltung zu Datentransfers über die Mauern des eigenen Unternehmens hinweg. Viele Unternehmen nutzen Cloud-Lösungen zwar, allerdings wenige auch für die Unterstützung von Personalprozessen. Der Großteil der Personalabteilungen lehnt die Cloud als Lösungsoption generell ab. Hierbei verschließen sich öffentliche Arbeitgeber gegenüber Cloud-Strategien deutlich öfter als private Arbeitgeber. Je größer bei Letzteren die Anzahl der Beschäftigten ist, desto weniger restriktiv werden Cloud-Szenarien gesehen.

Befürchten Sie ein Image-Problem für Unternehmen, wenn sensible Mitarbeiterdaten wie beispielsweise Gehaltsabrechnungen auf Clouds geparkt werden?

Die neuen digitalen Handlungsoptionen können durchaus kritisch bewertet werden. Besonders die Datensicherheit in der Cloud spielt hierbei eine Rolle: Personalakten außerhalb des eigenen Unternehmens zu speichern, Gehaltsabrechnungen in der Cloud zu erzeugen oder Daten außerhalb der sicheren Umgebung eigener Server auszuwerten – dies alles sind Vorgänge, die als unsicher gelten können und ein Bedrohungsrisiko mit sich bringen. Denn HR-Manager müssen nicht nur negative Auswirkungen für ihr Arbeitgeber-Image erwarten, falls Datenschutzverstöße auftreten beziehungsweise bekannt werden sollten. Beispielsweise stellt auch ein Ansehensverlust bei der Geschäftsführung ein großes Risiko für HR dar. Die Gespräche mit allen Bedenkenträgern sollten aber zügig aufgenommen werden, zumal wir beobachten, dass sich die Software-Industrie längst entschieden hat, Innovationen auf die Cloud zu fokussieren. Wer nicht mitgeht, wird über kurz oder lang abgehängt. Der Datenschutz ist in der Cloud lösbar, da sollte eher der Kopf und nicht der Bauch entscheiden.

Gewinnt die Digitalisierung Ihrer Einschätzung nach auch in der Zukunft noch mehr an Bedeutung im Personalmanagement?

Ja. Gerade die durch die zunehmende Digitalisierung mögliche Verknüpfung von personenbezogenen Daten zu prognostischen Zwecken wird im Personalmanagement zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Das Internet als Datenquelle wird dabei an Bedeutung gewinnen und Active Sourcing die Personalgewinnung der Zukunft prägen. Die Handlungssicherheit im Datenschutz stellt hierbei für Personaler eine wichtige Kompetenz dar, um den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten. Wenn HR diesen Wandel auf Augenhöhe begleiten will, muss vor allem auch der Qualifizierung im Datenschutz in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. 

Herr Bruhn, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!