Sanktionen gegen Russland beschränken Im- und Exporte

Auf den Krieg in der Ukraine reagieren die USA, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sowie weitere Länder mit wirtschaftlichen Sanktionen, die gegen den Aggressor Russland gerichtet sind. Zu den Maßnahmen gehören weitreichende Einschränkungen der Handelsbeziehungen. Somit ist der Austausch von Waren in beiden Richtungen weitgehend zum Erliegen gekommen.

Das trifft nicht nur die russische Ökonomie hart. Auch viele Unternehmen der Länder, die die Sanktionen verhängen, leiden darunter. Sie können weder ihre Produkte nach Russland verkaufen noch Rohstoffe oder Fabrikate von dort beziehen. Dabei schien sich die Situation nach den Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie wieder zu erholen.

Im Februar 2023 meldete der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft: „Die Exporte nach Russland verringerten sich 2022 um 45 Prozent und lagen damit so niedrig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.“ Eine Folge ist, dass Russland in der Liste der deutschen Absatzmärkte binnen eines Jahres von Platz 15 auf Platz 23 absackte.

Der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses Michael Harms kommentiert: „Rein statistisch hat der Krieg die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen bereits um 20 Jahre zurückgeworfen und ein Ende dieser Negativentwicklung ist nicht abzusehen.“ Immerhin konnte die hiesige Wirtschaft die Einbußen 2022 ausgleichen. So stieg der Umsatz beim Handel mit Mittel- und Osteuropa auf 562 Milliarden Euro. Das ist ein Rekordwert.

Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Umsatz mit der Ukraine um sieben Prozent. Das ist zwar relevant, aber weniger, als zunächst erwartet worden war. Außerdem beschäftigen sich deutsche Unternehmen mit dem Wiederaufbau des angegriffenen Landes. Das zeigte die rege Teilnahme einer großen Delegation an der Messe „Rebuild Ukraine!“ in Warschau.


Das bedeutet der Krieg für die deutsche Wirtschaft

Viele Unternehmen in Deutschland spüren die Auswirkungen der Sanktionen. Das betrifft nicht nur jene, die selbst Handel mit Russland betreiben oder dort produzieren. Allein die weltweit ohnehin schon hohen Preise für Energieträger wie Erdöl und Erdgas sind wegen des Kriegs in der Ukraine weiter angestiegen. Auch die Versorgung mit anderen strategischen Rohstoffen ist eingeschränkt und deshalb teurer geworden.

Doch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland kühlten sich bereits vor dessen Angriff auf die Ukraine ab. 2011 waren noch 6.300 deutsche Unternehmen in dem Land des heutigen Aggressors aktiv. 2020 nur noch ein Viertel davon.

Dennoch: Unter dem Eindruck des Krieges stieg das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr nur um 1,8 Prozent an. Die Erwartungen für 2022 hatten bei 3,5 Prozent gelegen. Für dieses Jahr rechnet der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHK) mit einem Nullwachstum.

Besonders betroffen ist der Mittelstand, vor allem wegen der stark angestiegenen Energiekosten. Das zeigt ein Vergleich mit 2019. Damals wurden Gas, Öl, Kohle und Strom im Wert von 69 Milliarden Euro nach Deutschland eingeführt. 2022 kletterten die Energierohstoff-Importe auf 156 Milliarden Euro und damit auf mehr als das Doppelte. Die Unabhängigkeit von russischen Quellen wurde teuer erkauft. Zwischenzeitlich sind die Kosten für Energie zwar gesunken, aber noch sehr volatil und unberechenbar.

Und es wird weitere Einbußen geben, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft vorrechnet. Es erwartet für 2023 Verluste in Höhe von 175 Milliarden Euro an Wertschöpfung wegen des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Auswirkungen. Damit hätte die deutsche Wirtschaft in den Krisenjahren seit der Pandemie insgesamt 595 Milliarden Euro verloren.
 

LKW-Stillstand: Fehlende LKW-Fahrer führen zum Stillstand in der Lieferkette
 

Wirtschaftliche Folgen für Europa und die ganze Welt

Die Sanktionen führen global zu Mangel und höheren Preisen. Beispiel Getreide: Die Ukraine und Russland erzeugten vor dem Konflikt rund ein Drittel des internationalen Bedarfs an Weizen. Nachdem der Nachschub von ukrainischen Feldern nach Kriegsbeginn unterbunden war, gibt es seit Mitte 2022 einen Getreidedeal mit Russland. Der Transport führt über die Schwarzmeerroute, ist aber längst nicht auf dem früheren Niveau.

Neben den bereits angesprochenen Folgen – Engpässe und Kostenanstieg – könnte der Krieg noch größere Kreise ziehen. Ein mögliches Szenario ist die sogenannte Deglobalisierung. Sie würde dazu führen, dass der Handel zwischen dem Westen und Russland (plus China) relativ zum Bruttoinlandsprodukt sinkt. Anders ausgedrückt: Der Markt für westliche Unternehmen zieht sich zusammen und wird kleiner. Das wäre ein großes Problem für alle Länder, die ihre Wirtschaft stark auf die Globalisierung abgestimmt haben. Dazu zählt auch Deutschland.
 

Fragile Lieferketten: Die aktuellen Probleme

Nach der Pandemie hat der Krieg viele bis dahin robuste sowie neu gesponnene Lieferketten zerrissen. Das betrifft sowohl Luftfracht, LKW-Transporte, Schiene als auch die Schifffahrt. Auf allen Wegen ist weiterhin mit Einschränkungen zu rechnen. Das zeigt ein Blick in das Whitepaper The state of European Supply Chains 2023. Auftraggeber ist JLL, ein Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich. Für ihn interviewte Reuters Events rund 170 Unternehmen, darunter auch Logistikdienstleister, Hersteller und Händler.

Demnach gehen 68 Prozent der Befragten wegen des Krieges auch 2023 von Unregelmäßigkeiten in ihren Lieferketten aus. An zweiter Stelle der größten Probleme stehen hohe Energiepreise (66 Prozent), gefolgt von der Sorge, dass Verbraucher aufgrund der Inflation ihr Konsumverhalten einschränken (55 Prozent).

Als Gegenmaßnahmen wollen 72 Prozent der Teilnehmer ihre Transportnetzwerke verbessern, 63 Prozent den Energieverbrauch senken. Gut die Hälfte (51 Prozent) plant, ihre Lagerhaltung näher an Verkehrsknotenpunkte und die Absatzmärkte zu bringen.