Vor allem administrative Jobs sind gefährdet

Ob in der Fabrik, im Fast-Food-Restaurant oder an der Hotelrezeption: Maschinen unterstützen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits seit Jahren im Berufsalltag. Sie übernehmen dabei vorzugsweise Arbeiten, die als lästig oder anstrengend empfunden werden – oder die von Maschinen schlichtweg günstiger erledigt werden können. Bisher waren von der Digitalisierung und Automatisierung daher nur Jobs im Niedriglohnsektor betroffen. Das könnte sich in naher Zukunft ändern. „Wir werden sehen, dass auch höher oder hoch qualifizierte Berufe nicht davon ausgenommen sind“, sagt Carsten Brzeski. Der Chefvolkswirt der ING-Diba ist anerkannter Experte für wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland und Europa und hat im April 2015 eine brisante Studie über die Automatisierung des deutschen Arbeitsmarktes veröffentlicht. Demnach sind 59 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet; Sekretäre oder Sachbearbeiter haben dabei das höchste Risiko, von einer Maschine ersetzt zu werden. Akademische Berufe in wissenschaftlichen und kreativen Bereichen unterliegen dagegen der geringsten Wahrscheinlichkeit einer Automatisierung. 

 

Telefonverkäufer und Zahntechniker könnten durch Roboter ersetzt werden

Andere Studien werden hier schon konkreter: Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gibt es Berufe, die in den nächsten 20 Jahren mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit durch Maschinen und Computer ersetzt werden. Dazu gehören Telefonverkäufer, Näher und Uhrenreparateure. Köche und Zahntechniker werden mit 96-prozentiger bzw. mit 97-prozentiger Wahrscheinlichkeit in 20 Jahren keinen Job mehr finden. Die Berufe der Krankenschwester und der Pflegekraft sind hingegen nicht bedroht. „Mit Sicherheit werden Roboter auch in den Gesundheitsbereich integriert werden und zum Beispiel in der Alten- und Krankenpflege zum Einsatz kommen“, sagt Brzeski. „Allerdings denke ich, dass hier die Zahl der menschlichen Arbeitskräfte ebenfalls steigen wird. Aus einem einfachen Grund: Der demografische Wandel ist unaufhaltsam. Im Pflegesektor werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten viele Arbeitsplätze entstehen, weil die Gesellschaft immer älter wird und wir immer mehr Menschen haben werden, die Pflege und Hilfe benötigen. Und selbstverständlich darf gerade in diesem Bereich die menschliche Komponente nicht fehlen. Die Roboterhand wird die menschliche Hand mit ihrer Empathie und Aufmerksamkeit nie ersetzen können.“ 

 

Service- und Assistenzroboter als Entlastung für Pflegekräfte

Dies bestätigt auch Birgit Graf vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Sie und ihr Team forschen seit Jahren im Bereich der Haushalts- und Assistenzrobotik und sehen vor allem für Pflegeheime großes Entwicklungspotenzial. „Serviceroboter in der Pflege sind eine Möglichkeit, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken und den Pflegeberuf aufzuwerten. Es geht nicht darum Pflegekräfte zu ersetzen, sondern sie anhand von modernen, technischen Pflegehilfsmitteln zu unterstützen und zu entlasten. Damit die unersetzliche Ressource Mensch dort ankommt, wo sie gebraucht wird: nicht beim Entsorgen von Wäsche, sondern in der sozialen Beziehung von Mensch zu Mensch.“ 

 

Industrie 4.0: Nicht nur Risiken, sondern auch Chancen

Die Industrie hat nicht ausschließlich negative Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Sie funktioniert hauptsächlich durch vernetzte Kommunikation – das lässt viele neue Jobs entstehen. Obwohl einige Arbeitsplätze in ihrer jetzigen Form von der 'Reindustrialisierung' gefährdet seien, biete sich genau dadurch immer wieder eine neue Chance für die Wirtschaft, heißt es in der Studie der ING-Diba. „Der technische Fortschritt kann Raum für die Entstehung neuer Aufgaben und Tätigkeiten schaffen. Auch jetzt ist Industrie 4.0 ein wichtiger Schritt für die deutsche Wirtschaft, um im internationalen Wettbewerb zu überleben und auch in 10 oder 20 Jahren noch führend zu sein. Der deutsche Arbeitsmarkt wird sich dadurch wieder einmal fundamental verändern.“

Die FAZ schätzt, dass besonders die sogenannten MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – einen großen Vorteil aus der Automatisierung ziehen. Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass vor allem wahrscheinlich Frauen von Arbeitsplatzverlusten betroffen sein werden. Der Frauenanteil in den MINT-Fächern ist äußerst gering: Seit Jahrzehnten stagniert er, je nach Studiengang, zwischen 20 und 30 Prozent. 

 

Seite an Seite mit der Maschine – so sieht die Arbeit der Zukunft aus

Sofortige Massenarbeitslosigkeit fürchten Experten nicht. Vielmehr müsse man sich auf veränderte Arbeitsbedingungen einstellen. „Oft wird ja vorausgesagt, dass die Maschine den Mensch ersetzen wird – ich denke aber, wir werden nur viel mehr mit Maschinen zusammenarbeiten“, so Brzeski. „Ich halte nichts von der Annahme, dass die Maschine den Mensch als Arbeitskraft komplett überflüssig machen wird. Aber in vielen Bereichen werden wir uns an unseren neuen Freund, den Roboter, gewöhnen müssen.“