Melina Ex ging für Fetch, eine Expertenagentur im Bereich Mobile Marketing, Anfang 2016 nach New York, um dort ein Büro zu eröffnen. Zuvor hatte sie bereits den Standort Berlin aufgebaut. Melina Ex arbeitete nach ihrem Studium schon mehrere Jahre in Peking, Kapstadt und London. Jetzt ist sie für den Geschäftsbereich der gesamten US-Ostküste verantwortlich. Damit nicht genug: Die Deutsche wurde im Juli 2016 in New York City mit dem Next-Generation-Award im Bereich Werbung ausgezeichnet.

Wie arbeitet es sich in der Stadt, die niemals schläft?

Ex: „Das Leben hier ist sehr spannend und schnelllebig. Vier Monate New York fühlen sich an wie ein Jahr Leben. Allerdings kann man diese Geschwindigkeit nicht eins zu eins auf das Business übertragen. Ich kam mit der Erwartung hierher, dass die Amerikaner im mobilen Bereich schon sehr viel weiter sind und bereits auf alles eine Antwort haben. Das ist nicht der Fall. Es gibt hier allerdings im Vergleich zu Deutschland wesentlich mehr Vorreiter und Visionäre in der digitalen Branche. Natürlich auch, weil der Markt und die Budgets viel größer sind. Hier wird von Anfang an auf globaler Ebene gedacht.”

Was waren die größten Hindernisse, die Sie zu überwinden hatten?

Ex: „Gute Talente für das Business zu finden. Selbst hier, im großen, innovativen New York ist das eine enorme Hürde. Mein Team und ich managen die gesamte Ostküste der USA. Meine Kunden sitzen weit verstreut. Sie angemessen zu betreuen ist sehr personalintensiv. Das macht die Situation noch ein wenig schwieriger.“

Stichwort digitale Welt. Gibt es gravierende Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika?

Ex: „Ja. Die Digitalisierung ist in den Staaten sehr viel weiter in den Alltag vorgedrungen als in Deutschland. Nehmen wir das Beispiel Apple Pay. Dieses Bezahlsystem wird in New York bereits von zahlreichen Geschäften und Restaurants akzeptiert. Isst man in der Gruppe, bezahlt einer die Gesamtrechnung mit Apple Pay und die anderen überweisen ihm ihren Anteil per Smartphone über eine Transfer-App. Bargeld ist bereits völlig überflüssig. Mobil bezahlen ist hier so viel einfacher als bei uns. Ich kenne Restaurants in Berlin, die nehmen noch nicht mal EC-Karten an. Das kann sich hier kein Mensch vorstellen.” (Anm. d. Red.: Seit Juli 2016 gibt es Apple Pay auch in der Schweiz).

Was sehen Sie, wenn Sie aus Ihrem Büro gucken?

Ex: „Ich sehe auf Süd-Manhattan. Auf den Hudson River und die Wall Street. Wir haben eine Terrasse, von der blickt man in Richtung Norden, also zum Times Square. Mein Büro liegt im Süden.”

Es gibt schlechtere Ausblicke auf die Stadt.

Ex: „Ha, ja, das stimmt. Es gibt in New York Bürogebäude, die haben überhaupt keine Fenster. Ich habe es ganz gut getroffen.”

Drei Punkte, die Ihnen das Arbeitsleben in New York leichter machen als in Deutschland.

Ex: „Ich muss nicht mehr so viel reisen wie in Deutschland. Dort war ich drei Tage pro Woche unterwegs. Hier sitze ich in der Metropole der Ostküste. Ich bin mittendrin, da ist vieles einfacher. In Sachen Mobile ist hier alles weiter, die Kunden sind aufgeklärter und zugänglicher, das macht den Job unkomplizierter. Und Amerika hat mehr Vertrauen in seine junge Elite. Ich bin 30 und als Geschäftsführerin verantwortlich für die gesamte Ostküste. Das ist in Amerika okay. Generell ist es hier für Frauen einfacher, Karriere zu machen. Weil sie gehört und akzeptiert werden. Auch von männlichen Kollegen. Ich hätte noch einen vierten Punkt: In New York sind die Sommer länger. Das sorgt für ein entspannteres Lebensgefühl.”

Was vermissen Sie in Amerika?

Ex: „Vielleicht die deutsche Sprache. Ich habe bereits in Peking, Kapstadt und London gearbeitet. Ich ertappe mich immer öfter dabei, dass ich Schwierigkeiten habe, mein Business auf Deutsch zu erklären. Aber im Ernst, wirklich vermisse ich hier nur meine Familie.”

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ex: „New York bietet so viele Möglichkeiten, seine Wochenenden zu verbringen. Die zahlreichen Museen, es wimmelt nur so von Veranstaltungen, vor allem im Sommer. Open-Air-Filme, Konzerte jeder Musikrichtung, Straßenfeste. Die Stadt organisiert jedes Jahr ein großes Sommer-Programm mit kostenlosen Events – ein Traum! Oft fahre ich mit der Subway nach Brooklyn oder in die Bronx. Und ich habe angefangen zu boxen. In einem Boxing-Gym.”

Wie sieht es mit Freundschaften aus?

Ex: „Meine Branche macht es mir da leicht. Ich kannte bereits einige US-Kollegen von diversen Messen und Kongressen. Dann hatte ich das Glück, dass vier meiner engsten Freunde aus Peking ebenfalls in New York gelandet sind.”

Immer mehr Experten der digitalen Welt lassen sich in New York nieder. Läuft der Osten der USA dem Westen bald den Rang ab?

Ex: „Ja, der Trend ist deutlich zu spüren. Immer mehr potenzielle Kunden lassen sich in New York nieder. Selbst aus meinem engeren Bekanntenkreis sind fünf oder sechs Leute von San Francisco nach New York gezogen, um hier als Mobile- oder Marketing-Manager zu arbeiten. Die haben im Silicon Valley ihr Handwerk gelernt und kommen jetzt mit ihrem Know-how an die Ostküste.”

Was sind die Gründe für den Aufstieg New Yorks als Digital-Standort?

Ex: „Das Silicon Valley ist ihnen zu uniform. Alle Leute sind dort gleich, haben ähnliche Interessen. Alle arbeiten in derselben Branche, auch die, die man außerhalb des Jobs kennenlernt. Es gibt kaum noch Abwechslung im Leben. Dazu kommen die immensen Kosten. San Francisco ist unglaublich teuer, die Mieten steigen ins Unermessliche. Dagegen ist es an der Ostküste fast billig.”

Ist New York Ihre letzte Station?

Ex: (überlegt kurz) „Nein, das glaube ich nicht. Jede Stadt hat so ihre Zeit. New York ist jetzt gerade fantastisch, aber wer weiß, was die Zukunft bringt.”

Ihnen gehört das letzte Wort in Sachen Mobile und Deutschland.

Ex: „Was ich mit Erstaunen in Deutschland feststellen musste, war, wie sehr in unserer Branche an alten Strukturen und Konstrukten festgehalten wird. Da muss Deutschland aufpassen, dass es nicht den digitalen Zug verpasst. Die Frage ist: Wie lange können wir unserem guten Ruf als Land der Innovationen noch gerecht werden und wie machen wir weiter?”

Dieser Beitrag stammt aus dem Magazin Clutch, dem Gesellschaftsmagazin für die digitale Welt, und wurde im September 2016 im Printheft (Ausgabe 1) veröffentlicht. Das Interview führte Gerhard Buzzi.