Rechnungen werden in Deutschland mit einer Verspätung von knapp zehn Tagen bezahlt. Das ist das Ergebnis der halbjährlichen Auswertung des Inkassodienstleisters Creditreform. Dabei kommt es je nach Branche des Schuldners zu erheblichen Unterschieden. So weisen Unternehmen aus der Bauwirtschaft einen Zahlungsverzug von knapp 16 Tagen auf, während es beispielsweise bei Unternehmen aus der Chemiebranche nur sieben Tage sind. 

Beim Durchsetzen von Forderungen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Auf der einen Seite möchte man Kunden nicht ohne Not verlieren, auf der anderen Seite keinen Liquiditätsengpass riskieren. Der Inhaber einer Elektronik-Firma, der namentlich nicht genannt werden will, rät zur Vorsicht. Schließlich handele es sich meist um langjährige Geschäftsbeziehungen mit Stammkunden. Bei Neukunden holt er zumeist eine Bonitätsauskunft ein. Da sich die Aufträge oft um ein Volumen von 100.000 Euro und mehr bewegen und die Firma beim Bau einer Maschine in hohe Vorleistungen geht, führt ein Zahlungsverzug oder gar -ausfall zu großen Schwierigkeiten. Um die Liquidität seines Betriebs zu sichern, geht der Unternehmer konsequent gegen säumige Kunden vor, er setzt auf die Hilfe einer Factoring-Gesellschaft. 

Immer noch fürchten manche Gläubiger, dass sie es beim Thema Inkasso mit dubiosen Dienstleistern zu tun bekommen. Der Bundesverband der Inkassounternehmen (BDIU) verweist dazu unter anderem auf das Internetportal der Landesjustizverwaltungen www.rechtsdienstleistungsregister. de, in dem alle seriösen Unternehmen der Branche registriert sind. 

Solche Inkasso-Experten erleichtern Betrieben in der Regel den Umgang mit zahlungsschwacher Kundschaft. Volker Ulbricht von Creditreform empfiehlt, das Verfahren nach maximal drei Mahnungen an die Fachleute abzugeben. Das spare Zeit und Nerven – und die Kosten fürs Geldeintreiben fordert der Dienstleister beim Schuldner gleich mit ein. „Inkassokosten sind erstattungsfähig“, sagt Ulbricht. „Wir stunden diese in aller Regel bis zum Abschluss des Verfahrens. Zahlt der Kunde trotz Inkasso nicht, wird für den Gläubiger lediglich eine kleine Pauschale fällig.“ 

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Vor allem in Konsumbranchen gibt es aktuell vermehrt Probleme beim Zahlungsverhalten der Kunden.

Viele Onlinehändler bleiben auf Rechnungen sitzen

Grundsätzlich ist es in Deutschland nicht schlecht um die Zahlungsmoral bestellt. Rechnungen werden genauso gut oder sogar besser als noch vor sechs Monaten bezahlt. Das stellte der BDIU in einer Mitgliederumfrage fest. Dank guter Konjunktur und Rekordbeschäftigung sind die meisten Konsumenten und Kunden in der Lage, fristgerecht zu zahlen. 

Trotzdem klagen manche Branchen – besonders der Onlinehandel. So berichtet jeder zweite Händler in der Umfrage, dass Kunden seines Onlineshops Rechnungen nicht wie vereinbart begleichen. Vor einem Jahr monierten das nur 37 Prozent. „Beim beliebten Kauf auf Rechnung treten Händler in Vorleistung“, erläutert BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. „Manchmal haben sie es mit unredlichen Verbrauchern zu tun, die das für sich ausnutzen. Vor allem in Konsumbranchen gibt es aktuell vermehrt Probleme beim Zahlungsverhalten der Kunden.“ 47 Prozent der Inkassounternehmen melden, dass Kunden von Energieversorgungsunternehmen säumig sind (Vorjahr: 36 Prozent). Probleme gibt es auch im Handwerk (aktuell 37 Prozent), bei Fitnessstudios (35 Prozent) sowie in der Dienstleistungsbranche allgemein (34 Prozent). 

Auch die öffentliche Hand weiß die Leistungen der Inkasso-Büros zu schätzen: Einige Kommunen in Nordrhein-Westfalen wollen mit ihnen zusammenarbeiten, um ihre Außenstände zu reduzieren. So will man in Essen Forderungen, bei denen die Stadt mit eigenen Mahnaktivitäten und Vollstreckungsversuchen ins Leere gelaufen ist, künftig privaten Dienstleistern übertragen. Auch andere Kommunen in NRW, darunter der Rhein-Erft-Kreis, die Stadt Xanten oder die Stadt Kerpen, haben entweder angekündigt, mit Inkassounternehmen zusammenzuarbeiten, oder tun das bereits.

Wie das Gericht vorgeht …

Ist die schriftliche Mahnung erfolglos geblieben, bleibt dem Geschädigten nur der Weg über die Justiz: Er muss beim Amtsgericht einen Mahnbescheid beantragen. Darin teilt das Gericht mit, was der Schuldner nach den Angaben des Gläubigers zu zahlen hat. Es prüft nicht, ob die Forderung zu Recht besteht. Ein solcher Bescheid ist nötig, um zu einem Vollstreckungsbescheid zu kommen, der letztlich zu einer Zwangsvollstreckung führt. Häufig reicht die Drohgebärde bereits aus, damit die Rechnung bezahlt wird. 

Wer das Mahnwesen selbst in die Hand nimmt, erhält im Schreibwarenhandel das passende Formular. Vordrucke für die weiteren Anträge im Mahnverfahren erhält man von den Mahngerichten. Deren Zuständigkeiten sind klar festgelegt: In Nordrhein-Westfalen ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts Köln das Amtsgericht Euskirchen, für alle anderen Bezirke das Amtsgericht Hagen zuständig. Maßgeblich ist, in welchem Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz hat. Anträge können auch übers Internet gestellt werden (www.mahnbescheide.de). 

Widerspricht der Schuldner nicht innerhalb von zwei Wochen bei Gericht, kann der Antragsteller einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Auch dagegen kann der Antragsgegner noch Einspruch einlegen – der die Zwangsvollstreckung aber nicht behindert. Die Kosten sind abhängig vom Geschäftswert des Antrags und betragen mindestens 32 Euro. 

… und was das Inkasso-Büro macht

Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen erfolgt in der Regel auf Basis einer Erfolgsprovision. Deren Höhe richtet sich insbesondere danach, ob das Inkassounternehmen das Kostenrisiko vollständig übernimmt oder es beim Auftraggeber verbleibt. Verkauft ein Unternehmen bereits titulierte Forderungen, hängt der Preis von der Art der Forderung ab. Je öfter bereits erfolglos vollstreckt wurde oder je älter die Rechnung ist, desto höher fällt die Vergütung für das Inkasso-Unternehmen aus. Inkasso-Büros werben damit, dass die Schuldner häufig bereits dann zahlen, wenn sie feststellen, dass die Forderung an Dritte abgegeben wurde. Schließlich drohen die Mahn-Firmen mit möglichen Schufa-Einträgen und damit, die Bonität herabstufen zu lassen. Ein integriertes Telefoninkasso soll den Drohungen Nachdruck verleihen. Zeigt der Schuldner sich kooperativ, kann mit ihm ein Zahlungsplan vereinbart werden, der seine finanzielle Situation berücksichtigt. Gleichzeitig fordert das Büro Sicherheiten ein, etwa eine schriftliche Anerkennung der Schuld oder sogar eine Lohnabtretung. 

Dem Schuldner bleiben nur wenige Möglichkeiten: Liegt ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid vor, dürfen die Forderungen 30 Jahre lang eingetrieben werden. Und so lange verlieren auch Inkasso-Büros ihre Schuldner nicht aus dem Blick. Im Erfolgsfall zieht das Büro seine Auslagen ab und zahlt 50 Prozent der vom Schuldner eingetriebenen Gelder aus.

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