Diese Voraussetzung muss aber grundsätzlich auch bei mittelständischen Betrieben erfüllt sein, wenn sie in die weitere Automatisierung ihrer Fertigungsprozesse investieren. Zwei Faktoren markieren gewisse Grenzen einer voll automatisierten „Smart Factory“: Qualität als unternehmerisches Erfolgskriterium und zunehmende Individualisierung der Nachfragemärkte. 

Faktor Qualität: voll automatisierte Kontrolle und Diagnose. Doch wer korrigiert?

Mit dem Einsatz von Montagerobotern hat der Begriff „Automatisierung“ seine bis heute noch gültige Prägung erfahren: Roboter gehören zum Inventar einer modernen Fabrik. Die Automobilindustrie begann in den 1980er Jahren damit, auch bis dahin manuell bewerkstelligte Montagearbeiten durch greiffähige und auch erstaunlich „fingerfertige“ Roboter zu ersetzen. Die Montage und Endmontage auch komplizierterer Werkstücke oder Einzelteile durch Roboter bedeutete gleichzeitig die Überwindung einer bis dahin noch gültigen Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch. Manuelle Tätigkeiten galten bis dahin überall dort als unverzichtbar, wo komplexe Bewegungsabläufe vonnöten waren, um den letzten Schritt eines Produktionsprozesses zu leisten: in der Endmontage. Spätestens hier manifestiert sich die Qualität des Endprodukts.

 Moderne Sensorik übernimmt in der modernen automatisierten Fabrik die Qualitätsprüfung, zu der letztlich auch die Diagnose von Fehlern gehört. Allerdings bleibt die Korrektur von Fehlern weiterhin eine Aufgabe, die den Eingriff des Menschen erfordert. Fehler können in einer hoch automatisierten Fertigungsstraße auf allen Ebenen des Prozesses auftreten: im angelieferten Material und in der Qualität des Montageprozesses selbst. Je höher der Automatisierungsgrad, desto empfindlicher wirkt sich ein „Maschinenstopp“ aus, wenn aus Qualitätsgründen der gesamte Prozess unterbrochen werden muss.

 Die Überwindung dieses Problems soll darin bestehen, die automatisierte Fertigung nicht mehr zentral, sondern modular zu steuern. Alle beteiligten Einzelsysteme, vom sich selbst steuernden Transportfahrzeug bis hin zum kleinsten Werkzeug, das einem Verschleißprozess unterliegt, sollen sich gegenseitig über ihre jeweils aktuelle „Lage und Befindlichkeit“ informieren – um frühzeitig Korrekturen oder Änderungen zu veranlassen. Alle beteiligten Systeme tragen ein sich selbst überprüfendes Stück Intelligenz in sich – und werden gemäß dem Konzept der Industrie 4.0 zu selbstständig agierenden „smarten Wesen“. Aber die Fehlerdiagnose gehörte schon immer zu den leichteren Übungen – auch von Unternehmensberatern. Die Korrektur im laufenden Betrieb ist eine große Kunst, die eine voll automatisierte Smart Factory dann auch buchstäblich im Griff haben müsste. Damit ist ein erster Grenzbereich markiert, mit dem sich sogar die Grundlagenforschung der künstlichen Intelligenz derzeit noch schwertut. Die sich selbst instand haltende Fabrik inklusive der sich selbst reparierenden Roboter – das klingt utopisch und bleibt vorerst auch nur ein futuristischer Entwurf. 

Faktor Individualisierung: voll automatisierte Flexibilität

In allen Branchen besteht die Notwendigkeit, Erzeugnisse auf immer mehr Nischenmärkte und auf eine immer stärkere Individualisierung von Zwischenerzeugnissen und Endprodukten hin auszurichten. Die Supply Chain jeder Branche, vom Rohstofflieferanten bis hin zum OEM eines Endprodukts muss dieser globalen Marktentwicklung folgen. Die Geschwindigkeit, also Taktung einer einzelnen Fertigungsstufe allein führt daher zu keiner weiteren Steigerung der Wirtschaftlichkeit mehr. Deshalb ist unter dem konzeptionellen Begriff der „Industrie 4.0“ der Fokus auf jene Schnittstellen gerichtet, die zukünftig für weitere Beschleunigung sorgen kann: die intralogistische Kommunikation aller beteiligten Maschinen und Transportmittel. Dadurch sollen immer mehr Fertigungsvarianten in einen gleichförmigen und kontinuierlichen Produktionsablauf integriert werden können. Die übergeordnete Instanz, die einen Produktionsprozess steuert, bleibt aber immer der jeweilige Nachfrage- bzw. Absatzmarkt. Die moderne Basis einer voll automatisierten Versorgungskette vom Auftrag bis zur Auslieferung setzt gleichbleibend stabile Märkte mit gleichbleibend hoher Nachfrage voraus. Zumindest muss die gemeinsame technologische Basis verschiedener Produktvarianten über möglichst lange Produktzyklen hinweg Bestand haben. Stattdessen haben es auch die großen Schlüsselindustrien mit ganz anderen Herausforderungen zu tun: Der Wechsel vom Brennstoffmotor zum E-Motor stellt nur eines von vielen Beispielen für einen technologischen Paradigmenwechsel dar. Ein solches Maß an Flexibilität wird auch eine noch so effizient gesteuerte Smart Factory nicht bewerkstelligen können. 

Fazit: Automatisierung passt in viele, aber nicht alle Unternehmensstrategien

Die ersten natürlichen Grenzen der automatisierten Fertigung ergeben sich ganz klassisch durch die einfachen Fragen der Betriebswirtschaft: Kann sich ein höherer Automatisierungsgrad vor dem Hintergrund des Nachfragemarktes amortisieren? Wenn sich die Nachfragemärkte immer weiter zu atomisierten Nischenmärkten entwickeln, bleibt Flexibilität das oberste Gebot. Und in diesem Bereich werden Grenzbereiche der Wirtschaftlichkeit berührt. Wirtschaftlichkeit und Flexibilität bedeuten im Zeitalter immer kürzerer Produktzyklen mehr denn je: Nicht schneller Ware zu produzieren als Ware verkauft werden kann, sondern schneller als der Wettbewerb auf veränderte Nachfragen zu reagieren. Strategische Entscheidungen können aber nach wie vor nur von Menschen, nicht von Robotern getroffen werden.