Das Projekt hat das Ziel Wärme- und Stromversorgung zu koppeln und für beide Anwendungen erneuerbare Energien maximal zu nutzen. Durch die Entwicklung eines integrierten Energiemanagements soll der lokale Verbrauch so weit wie möglich an die zeitlich schwankende Stromerzeugung anpasst werden und der Betrieb unter Ausnutzung zeitlich variabler Strompreise ermöglicht werden.

Hintergrund ist, dass der wachsende Anteil erneuerbarer Energien auch wachsende Anforderungen an die Anpassung von Stromerzeugung und -verbrauch stellt. Stromerträge aus regenerativen Quellen wie Sonne oder Wind schwanken zeitlich stark. Das führt dazu, dass sich die Verbraucherseite in der Zukunft verstärkt an die aktuelle Situation der Stromerzeugung anpassen muss. Ansatz der Entwickler ist es, elektrische Energie mittels Wärmepumpen und Wärmespeichern in Form von thermischer Energie zu speichern. Im Verbundprojekt „Sol2Heat" werden intelligente Erzeugungs- und Speicherungskonzepte von Solarwärme und -strom für unterbrechungsfreie Strom- und Wärmeversorgung mit hohem erneuerbaren Anteil und dafür erforderliches Lastmanagement erforscht und technisch umgesetzt. Dadurch wird der Primärenergieeinsatz verringert und CO2-Emissionen reduziert.

Im Interview gibt der Projektleiter und –koordinator des Gesamtprojektes Sol2Heat“, der Diplom Ingenieur Tillman Faßnacht Einblicke in die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Faßnacht erklärt darin, welche Erkenntnisse für den Endverbraucher aus den Forschungstätigkeiten hervorgehen werden, wann diese für den Konsumenten verfügbar sein werden und welchen konkreten Nutzen sie bieten. 

Herr Faßnacht: Das Forschungsprojekt Sol2Heat hat zwei Projektpartner aus der Wirtschaft und klingt sehr anwendungsorientiert. Können Sie dem Leser einen kurzen und verständlichen Überblick geben, was die Motivation und Zielsetzung Ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im vorliegenden Projekt ist?

Tillman Faßnacht: In der Tat ist das Projekt sehr anwendungsorientiert an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis – im Rahmen des Projektes werden konkrete Anwendungen entwickelt, die direkt und nicht nur in der Zukunft Bedeutung in der Energiewende haben. Wärme- und Stromversorgung zu koppeln und für beide Anwendungen erneuerbare Energien maximal zu nutzen – darauf zielt das Projekt „Sol2Heat“.

Wie werden diese Ziele technisch erreicht?

Es wird ein integriertes Energiemanagement entwickelt, das den lokalen Stromverbrauch so weit wie möglich an die zeitlich schwankende Stromerzeugung anpasst und den Betrieb mit zeitlich variablen Strompreisen erlaubt. Das Betriebskonzept ermöglicht dabei, den durch Photovoltaik erzeugten Strom vor Ort zu nutzen und das Netz durch die damit entfallende Einspeisung zu entlasten. Durch eine Kooperation mit der Energiedienst AG, Rheinfelden werden 20 Solar-Wärmepumpensysteme zur Gebäudeheizung mit einem zeitvariablen Stromtarif versorgt, um das Konzept in der Praxis zu erproben. Der Ansatz soll dabei sowohl die Stromkosten für den Endkunden senken als auch eine Anpassung des Stromverbrauches an die aktuelle Lage auf dem Strommarkt gewährleisten. Dabei wird eine temporäre Strom- Knappheit auf dem Markt durch einen hohen Strompreis, und ein temporäres Überangebot durch einen niedrigen Strompreis reflektiert. Der Preis wird dabei vom Energieversorger für die nächsten Stunden vorhergesagt und an die Anlagen im Netz kommuniziert, wodurch diese die Laufzeiten der Wärmepumpe so legen können, dass für den Kunden möglichst niedrige Betriebskosten entstehen. Dabei berücksichtigt der lokal installierte Regler zu jeder Zeit den aktuellen und vorhergesagten thermischen Bedarf des Gebäudes, so dass der Benutzerkomfort sichergestellt wird.

Welche Erkenntnisse, bzw. Nutzen sollen letztlich daraus hervorgehen?

Zum Einen sollen durch das Endprodukt die Endkunden je nach installierter Kollektorfläche so unabhängig wie möglich von externen Energiequellen werden, wobei sowohl die Heizung als auch der Haushaltstromverbrauch gemeint ist. Weiter sollen das Stromnetz und der Strommarkt durch die Reaktion der Stromverbraucher Wärmepumpe und Haushaltgeräte auf die aktuelle Marktsituation entlastet werden und dadurch fit gemacht werden für den weiteren Zubau regenerativer Stromquellen.

Geht es um das Abfangen von Lastschwankungen, sodass durch Speicherung, beispielsweise in den Sommermonaten der Einsatz von Primärenergie zur Warmwasser- Erzeugung minimiert wird? Oder zielt das Projekt letztlich – lassen sie mich bitte spinnen – darauf ab, die sommerliche Sonnenenergie umzuwandeln, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in Form von Wärmeenergie an ein Wohngebäude abzugeben.

Mit dem hier vorgestellten Konzept ist eine langfristige Speicherung von photovoltaisch und thermisch erzeugter Energie zur Übertragung vom Sommer in den Winter nicht möglich. Dies ist eigentlich aber auch nicht nötig, da sich die Produktion von Wind- und Photovoltaik- Strom gut ergänzen. Während im Sommer mehr Strom aus Sonne erzeugt wird, ist im Winter die Windstrom-Produktion deutlich höher, wodurch der mittlere regenerative Energieanteil im Stromnetz im Moment über das Jahr recht konstant ist. Es gibt natürlich große Tagesunterschiede, die von der variierenden Anzahl an Sonnenstunden und unterschiedlichem Windaufkommen abhängen.

Konkret: Die Pressemeldung des KIT, vom 09.07.2014 beinhaltet die Aussage „Ein innovatives modulares thermisches Speichersystem nimmt überschüssige Wärme auf und hält sie zur Nutzung bereit.“ Wie und für wie lange kann die Wärme gespeichert werden, um Sie später in elektrischen Strom zu wandeln und nutzbar zu machen?

Die eingespeicherte Wärme wird nicht mehr in Strom gewandelt. Die Lastverschiebung findet dadurch statt, dass die Wärmepumpe dann häufiger läuft, wenn lokale regenerative Stromquellen vorhanden sind oder der Strompreis niedrig ist. Dadurch kann die Wärmepumpe dann seltener betrieben werden, wenn keine regenerativen Stromquellen zur Verfügung stehen oder der Strompreis relativ hoch ist. Die Speicherung ist dabei momentan im Kurzzeitbereich. Das heißt, es wird beispielsweise mittags verstärkt geheizt, um die Wärme dann in den Abendstunden und in der Nacht für die Raumheizung und Brauchwarmwasserbereitstellung zu nutzen. Durch die Realisierung größerer lokaler thermischer Speicher ist theoretisch auch eine längerfristige Speicherung über mehrere Tage und Wochen möglich.

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Wo stehen Sie momentan genau und was glauben Sie, wann die Ergebnisse Ihres Projektes in Endverbraucher-Produkte überführt sein werden, was vermutlich dann auch die Aufgabe der beteiligten Partner aus der Wirtschaft sein wird?

Hier sind zwei Punkte zu unterscheiden: Was in dem Projekt bereits fertig entwickelt ist und bei Consolar GmbH bezogen werden kann, ist die Kopplung des Wärmepumpenheizsystems „Solaera“ mit einer Photovoltaik-Anlage. Hierbei wird durch die Regelung der lokale Eigenverbrauch von photovoltaisch erzeugtem Strom mit der Wärmepumpe deutlich erhöht. Das heißt, der Wärme- und Strombedarf des Hauses wird mit hohem Anteil auf der Basis von lokal erzeugter Solarwärme und -strom gedeckt. Hier ist es jedoch noch nicht möglich, zeitvariable Stromtarife mit einzubeziehen. Dies wird erst im zweiten Schritt des Projektes möglich, bei dem die Regelungstechnik hierauf abgestimmt wird. Hierfür werden aktuell in Kooperation mit dem Energieversorger Energiedienst AG 20 Gebäude gesucht, in denen das Energiemanagement mit zeitvariablen Stromtarifen erprobt werden soll. Hierzu hat die Energiedienst AG gemeinsam mit der Consolar GmbH im Juli einen Aufruf gestartet, mit dem sie Hausbesitzer sucht, die sich in unser Forschungs- und Modellprojekt einbinden lassen.

Was ist das Ziel dieser Versuchsreihe mit den Testhaushalten der Energiedienst AG-Kunden?

Es sollen Betriebserfahrungen des Konzeptes gesammelt werden. Speziell in Hinblick auf die Anpassung des Betriebes an die zeitvariablen Strompreise. Durch die Anlagen kann quantifiziert werden welche Einsparungen und Entlastungen in einem echten Marktumfeld tatsächlich für den Endkunden und auch den Energieversorger durch den Ansatz mit den zeitvariablen Strompreisen erzielt werden können. Einsparungen für die Endkunden sind für die Testanlagen durch eine Preisgarantie des Energieversorgers in allen Fällen gesichert.

Welchen konkreten Nutzen wird dies für den Verbraucher bieten und für wen wird sich die Investition der Umrüstung auf ein „Sol2Heat System“ lohnen?

Gründe für Endkunden, das System zu nutzen, können folgendermaßen zusammengefasst werden: Sol2Heat stellt mit dem Solaera-System von Consolar ein vollständiges Heizsystem dar. Im Gegensatz zu den meisten heute am Markt angebotenen Systemen ist damit der größte Energieverbraucher eines Haushalts, die Heizung mit Warmwassererzeugung, in das Energiemanagement integriert. Sol2Heat ermöglicht eine hohe Unabhängigkeit von zukünftigen Energiepreisentwicklungen, da sie vornehmlich elektrische Energie nutzen, die aus Sonnenstrahlung gewonnen wird. Zusätzlich findet eine Entkopplung von der Strompreisentwicklung statt. Es ist damit zu rechnen, dass zeitvariable Strompreise allgemein ins Angebot der Energieversorger aufgenommen werden, wenn entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Sol2Heat ermöglicht dann, von den günstigsten Preisen im Laufe eines Tages zu profitieren, die durchaus unter den mittleren heutigen Strompreisen liegen können. Zudem wird durch die gezielte Steuerung der Reaktion der Endverbraucher auf die Angebotsseite und durch den Einsatz von Speichern ein weiterer Zubau regenerativer Stromerzeugung erleichtert. Ein wichtiger Grund für die wirtschaftliche Attraktivität von Sol2Heat ist, dass das Konzept auf thermischer Energiespeicherung beruht, auch um günstige oder überschüssige elektrische Energie zu speichern, die sonst bei weiter steigender regenerativer Stromerzeugung immer häufiger ungenutzt bleiben müsste.

Können Sie uns einen Ausblick auf zukünftige Schritte im laufenden Projekt geben und Forschungsschwerpunkte nennen, die Sie nun als Folge der vorliegenden Ergebnisse weiter verfolgen werden?

Aktuell wird im Projekt unter anderem die entwickelte Logik auf dem Regler des Heizsystems implementiert und die Kommunikation des zeitvariablen Stromtarifs vom Energieversorger zu den einzelnen Anlagen realisiert. Zudem steht in 2014 noch die Inbetriebnahme einer Testanlage des Systems an, die durch das KIT mit Messtechnik ausgestattet und detailliert wissenschaftlich überwacht wird. Abschließend kann das Konzept anhand Simulationsuntersuchungen und auf Basis gesammelter Praxiserfahrungen evaluiert werden.

Vielen Dank für das Gespräch und die gewährten Einblicke in Ihre Tätigkeit.

 

Tillman Faßnacht

Tillman Faßnacht, Jahrgang 1982 hat Versorgungs- und Umwelttechnik an der Hochschule Esslingen studiert. Von 2008 bis 2012 war er als Entwicklungsingenieur bei der Consolar Solare Energiesysteme GmbH tätig. Seit September 2012 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bauphysik & Technischer Ausbau des KIT. Hier leitet er das Verbundprojekt "Sol2Heat": Intelligente Erzeugung und Speicherung von Solarwärme und - strom zur Realisierung hoher solarer Deckungsanteile und zum Lastmanagement. Er arbeitet derzeit an seiner Promotion zum Dr.-Ing. am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart.