In Deutschland gehören maximal 10 % der Bevölkerung zu den Menschen, die eine leichte oder schwerere Laktoseunverträglichkeit aufweisen. Statistiken müssen vorerst ungenau bleiben, weil die Symptomatik einer wirklichen Laktoseunverträglichkeit kein klares Bild aufweist.

Weltweit sieht die Statistik eher umgekehrt aus. Denn Milch- und Molkereiprodukte gehören bei 80 % der Weltbevölkerung bzw. Ethnien nicht zum Bestandteil ihrer Ernährung – weshalb sie anders als Nord- und Mitteleuropäer den Milchzucker auch nicht beschwerdefrei verstoffwechseln können. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich auch die eher regional orientierte Lebensmittelindustrie auf eine immer stärkere Nachfrage von Produkten einstellen muss, die „ohne“ bestimmte natürliche oder synthetische Zutaten auskommen. Denn wir leben längst in einer multikulturellen Gesellschaft. Die Lebensmittelindustrie hat sich also, um ihre angestammten Absatzmärkte zu halten, auf einen immer stärker differenzierteren Verbrauchermarkt eingestellt. 
 

Frei von Zusatzstoffen – ein unaufhaltsames Mega-Argument

Im Englischen gibt es einen weiteren Begriff, der direkt ins Deutsche übersetzt ebenfalls seltsam klingen würde: „Frei-von-Nahrung“. „Free-from-food“ hat sich im angelsächsischen Sprachraum längst als selbstverständliche Bezeichnung für Nahrungsmittel etabliert, die nicht nur gluten- und laktosefrei, sondern auch frei von zahlreichen anderen Inhalts- und Zusatzstoffen produziert werden. Längst ist in diesen Märkten eine eigenständige Kategorie entstanden, an der sich auch Verbraucher ohne bekannte Empfindlichkeiten und Unverträglichkeiten orientieren. Die Lebensmittelbranche entwickelt sich also in immer mehr Segmenten zu einer regelrechten „Ohne“-Industrie. 
 

Auswirkungen auf die Zulieferer der Nahrungsmittelbranche

Ernährungstrends werden traditionell „durchgereicht“ bis hin zu den Produzenten von Zusatzstoffen. Speziell deren Erzeugnisse geraten also in den Blickpunkt. Die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln bezieht sich vor allem auf Zusatzstoffe wie zum Beispiel Aromen, Säuerungsmittel, Zucker, Salze, Alkohole und andere Geschmacksverstärker und -träger. Enzyme spielen als Hilfsstoffe auf Proteinbasis in der Lebensmitteltechnik eine Hauptrolle – sie sind daher die ersten Kandidaten, die von möglichen Allergenen befreit werden müssen, um als Zusatzstoff in Lebensmitteln ein allergiefreies Endprodukt zu ermöglichen.

Mit der gleichen Differenzierung, die bereits bei den Endprodukten herrscht, vermarkten die Hersteller von Zusatzstoffen und Hilfsmitteln mittlerweile ihre Rohstoffe als „Ohne“-Zutaten an die Lebensmittelproduzenten.

Dass sich Konservierungsmittel als Klassiker unter den Lebensmittelzusatzstoffen – obschon auch sie einen sinnvollen Zweck erfüllen – wohl nie wieder von ihrem Negativ-Image erholen werden, bleibt vielleicht noch verständlich. Die Lebensmittelindustrie muss sich aber immer wieder neuen, manchmal auch nicht mehr unbedingt logisch nachvollziehbaren Herausforderungen stellen.

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Künstliche Stopps auch für natürliche Zutaten

Menschen neigen zusehends dazu, der Nahrung eine entweder besonders gesundheitsfördernde oder gesundheitsabträgliche Rolle beizumessen. Unterstützt oder aufgeklärt werden sie von Medizinern und Ernährungsberatern und Medien, die auf immer neue Zusammenhänge zwischen bestimmten Nahrungsstoffen und körperlichen Symptomen hinweisen. Lebensmittelprodukte und deren Bestandteile haben sich zu einem beliebten Schauplatz immer wieder neuer medizinischer Betrachtungen entwickelt. Das Reservoir an Stoffen, die diskussionstauglich sind, scheint in diesem Bereich unerschöpflich. Unter diesem Einfluss sind die ehemaligen „Reich-an“-Aussagen gegenüber der „Ohne“-Bewegung deutlich ins Hintertreffen geraten – oder sogar schon völlig aus dem Blickpunkt der Verbraucher verschwunden. „Reich an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen oder Ballaststoffen“ klingt vielen fast schon wieder verdächtig. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Endverbraucher immer genau wissen, welche Zutaten sie für ihr eigenes Ernährungsprogramm aktuell gerade lieber begrüßen oder verbannen sollten.

Der Teufel versteckt sich gerne als Detail in Zusatzstoffen – oder er ist gar keiner. „Gluten“ klingt in den Ohren vieler Verbraucher wie ein künstlicher Zusatzstoff, der Lebensmitteln eigens zugesetzt wird, um sie trickreich schmackhafter zu machen.

Nur einer von hundert Menschen weist aber tatsächlich eine Glutenunverträglichkeit auf. Sogar der Anteil von Allergikern, die empfindlich auf Nüsse oder bestimmte Früchte reagieren, liegt mit ca. 5 % deutlich über dem Anteil der Gluten-Empfindlichen. Gluten ist außerdem alles andere als eine unnatürliche oder gar gefährliche Zutat, sondern ein natürliches Kleber-Eiweiß, das in den meisten Getreidesorten enthalten ist – auch in Grünkern und Dinkel, immerhin den „gesunden“ Getreidesorten par excellence. 
 

Fazit: Nahrungsmittel ohne Zusatzstoffe werden zusehends auch für unempfindliche Verbraucher stilprägend

Das Ernährungs- und Essverhalten unterschiedlichster Zielgruppen bleibt unberechenbar, für die Branche aber eine trotzdem kalkulierbare Größe. Denn sie gehört zu den Ersten, die neue Trends schnell aufgreifen und wohl auch aufgreifen muss, um die Herausforderungen des Lifestyle-Bereichs Ernährung perfekt bedienen zu können.