Wenn sogar eine so illustre Unternehmerpersönlichkeit wie Elon Musk, der unter anderem für den Erfolg von PayPal und der Elektro-Autos von Tesla verantwortlich ist, solche Visionen hat, handelt es sich offensichtlich um ein ernst zu nehmendes Geschäftsmodell. Bevor allerdings Menschen so weit sind, dass sie sich nach dem Vorbild der alten Rohrpost in Hochgeschwindigkeit von A nach B transportieren lassen, sollte man dieses Verfahren besser auf Eignung für den Güterverkehr prüfen.

Ein Stück Science-Fiction mitten im Ruhrgebiet
 

Im Ruhrgebiet wurde die Grundidee der Rohrpost auf eine ganz besondere Weise aufgegriffen. Forscherteams der Ruhruniversität Bochum leiten dort ein Forschungsprojekt, das sich auf den unterirdischen Transport von Europaletten spezialisiert hat. Dabei wird auf einer 160 Meter langen Teststrecke erprobt, wie sich fahrerlose schienengebundene Transportkapseln durch ein Rohrleitungssystem bewegen lassen. Der Leitgedanke dieses Konzepts besteht in der Entlastung der allgemeinen Verkehrssituation. Während es unterirdische Personenbeförderungen bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt, verhält es sich mit dem Güterverkehr „unter Tage“ anders. Nun werden Ideen entwickelt, ob und wie Güter unterirdische Strecken zurücklegen können. 

Viel entscheidender als die Geschwindigkeit: Kollisionsfreiheit
 

Die Vision von Elon Musk und die Idee unterirdischer Transportkapseln für Wirtschaftsgüter verbindet eine entscheidende Gemeinsamkeit: Der Transport durch eine Röhre birgt keinerlei Kollisionsgefahren und zeitliche Verzögerungen. Ganz im Gegensatz zum überirdischen Verkehr. Dort kreuzen sich in kurzen Abständen immer wieder Straßen und Schienen, weil alle Transportwege auf der gleichen Ebene liegen. Ein Rohrleitungssystem kann, ob unter- oder überirdisch, dieses Hauptproblem überwinden. Allein die Möglichkeit, neue Transportebenen zu schaffen, könnte in Zukunft einen großen Teil der weltweiten logistischen Probleme lösen: Staus, Verkehrsstillstand und Unfälle. Rohrsysteme sind anderen Lösungen also deutlich überlegen, weil auf den Wegstrecken selbst keine Hindernisse mehr überwunden werden müssen. Rohrleitungen beispielsweise um ein Hindernis wie einen Berg herumzulegen, ist darüber hinaus auch deutlich preiswerter und weniger zeitintensiv als der Bau eines Tunnels. 

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Höchste Zeit für eine Reaktivierung der klassischen Rohrpost
 

Wenn die Logistik des Individualverkehrs und des Gütertransports von solchen Visionen und ersten Modellversuchen begleitet wird, bleibt die Frage, warum sich die Rohrpost nicht auch in der Industrie durchgesetzt hat. Ohne Zweifel gibt es nach wie vor Anwendungen, bei denen die Geschwindigkeitsvorteile und die Sicherheit solcher Systeme genutzt werden. Aber die Beispiele, in denen moderne Rohrpostanlagen auch intralogistisch genutzt werden, sind vergleichsweise rar gesät. Vor allem handelt es sich dabei fast ausschließlich um kleinere Transportgüter wie Laborproben, Arzneien, Dokumente oder Bücher, bei denen die Vorteile moderner Rohrpostanlagen genutzt werden. Aber auch in Kliniken oder Unternehmen der chemischen oder pharmazeutischen Branche steht weniger die Geschwindigkeit als vielmehr die Zuverlässigkeit im Vordergrund, mit der eine Röhre zwangsläufig ihr Ziel erreicht. Allein diese Tatsache ist Grund genug, künftig intensiver über den Nutzen von Rohrleitungssystemen für den Transport jeglicher Waren nachzudenken. Wenn es umsetzbar ist, Menschen in Kapseln auf eine Fernreise zu schicken, dann sollte das für die vergleichsweise kurzen Strecken im innerbetrieblichen Güterverkehr erst recht eine praktikable Lösung sein. 

Rohrleitungen als „Teilchenbeschleuniger“ auch für größere Objekte
 

Auch wenn die Investitionen in ein röhrengebundenes Transportsystem vermutlich höher ausfallen als für die Anschaffung eines Gabelstaplers oder Transportbands, sollte der Fokus vor allem auf die Hauptvorteile in der Intralogistik zielen: Geschwindigkeit und Arbeitssicherheit. Speziell in diesem Bereich erweisen sich Rohrpostsysteme anderen Systemen als deutlich überlegen. Im allgemeinen Verkehrswesen dürfte der Bau eines überirdischen Röhrensystems im Vergleich zur Verlegung eines neuen Schienennetzes sogar viel günstiger sein als Magnetschwebebahnen – diese gelten bisher noch als das Nonplusultra des erdgebundenen Hochgeschwindigkeitstransports. 
 

Fazit: Die Anbieter moderner Rohrpostsysteme wachsen mit ihren Aufgaben
 

Die Rohrpostanlage hat eine ungewöhnliche Karriere hinter sich: Erst trat sie im 19. Jahrhundert als Sinnbild des technologischen Fortschritts in Erscheinung, indem sie Postämter in vorbildlich organisierte Logistikzentren verwandelte. Durch das gesamte 20. Jahrhundert hindurch hatte sich dann viel Staub auf ihr Image gelegt. Nun scheinen wir nach einigen Umwegen nicht mehr allzu weit davon entfernt zu sein, das Thema Materialfluss ganz neu zu verstehen. Auch feste Gegenstände können dann buchstäblich fließen. Insbesondere die Vertreter der Pneumatik-Industrie dürften erfreut darüber sein, dass sie völlig neue Anwendungen für ihre Kernkompetenzen erschließen können.