§ 439 BGB: Im B2B muss der Käufer die Ein- und Ausbaukosten selbst tragen
 

Den Stein ins Rollen brachten eine Ladung polierter Bodenfliesen und ein Geschirrspüler, die Privatpersonen eingekauft hatten: Die schon verlegten Fliesen hatten Mikroschleifspuren, die bereits eingebaute Spülmaschine einen Fehler in der Steuerelektronik. Beide Fehler stellten sich als irreparabel heraus. In beiden Fällen traf den Lieferanten keine Schuld. Nach deutschem Recht – § 439 BGB – ist er aber zur sogenannten Nacherfüllung verpflichtet und trägt die Kosten für die neue, fehlerfreie Ware sowie die Transport- und Arbeitskosten.

Europäischer Gerichtshof erweitert Geltungsumfang des § 439 BGB im B2C-Geschäft
 

Aber wer kommt für den Ausbau der unbrauchbaren Fliesen, für die vergeblichen Aufwendungen beim ursprünglichen Einbau der defekten Waschmaschine auf? Das wollten die mit diesen Rechtsstreitigkeiten befassten deutschen Gerichte vom Gerichtshof der Europäischen Union genauer wissen und fragten nach: Muss der Verkäufer nach der EU-Richtlinie 1999/44/EG* auch die Kosten für den Ausbau der nicht vertragsgemäßen Ware und den Einbau des Ersatzes tragen, obwohl das deutsche Recht das so nicht vorsieht? Die Antwort aus Luxemburg: Ein klares Ja – der deutsche § 439 BGB sei im Hinblick auf die EU-Richtlinie so auszulegen, dass das liefernde Unternehmen auch ohne eigenes Verschulden den Aus- und Wiedereinbau vornehmen oder die Kosten, die dem Käufer dafür entstehen, tragen müsse.

Bundesgerichtshof lässt bei § 439 BGB keine Ausweitung auf B2B-Geschäfte zu
 

Auf dieser Entscheidung ruhten wohl auch die Hoffnungen eines Sportplatzbauers, der zur Herstellung von zwei Kunstrasenplätzen EPDM-Granulat bei einem Produzenten aus Polen geordert hatte. Denn kaum war das Granulat eingebaut, erwies es sich als mangelhaft: Beide Kunden – eine Gemeinde und ein Gymnasium – verlangten natürlich Nachbesserung. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Tasche verlangte der Sportplatzbauer nun von seinem Lieferanten – der den Materialfehler unstreitig nicht hatte erkennen können – nicht nur kostenlose Ersatzlieferung des mangelhaften Granulates, sondern auch dessen Ausbau beim Kunden, den Abtransport sowie die Kosten des Neueinbaus. Das zuständige Landgericht Stuttgart gab dem Sportplatzbauer weitgehend Recht: Die deutsche Norm sei im Lichte der EU-Richtlinie weit und in diesem Fall zugunsten des Käufers auszulegen. Doch der polnische Lieferant des Granulats gab nicht klein bei, sondern legte Berufung am Oberlandesgericht ein. Sein zentrales Argument war, die richtlinienkonforme Auslegung der EU-Richtlinie betreffe nur den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) und nicht das Beschaffungswesen von Unternehmen, sprich: nur B2C- und nicht B2B-Geschäfte. Dieser Sichtweise schloss sich das Oberlandesgericht Stuttgart und danach auch der Bundesgerichtshof in letzter Instanz an.

Fazit: Beim Warenkauf können die „Nebenkosten“ für Materialfehler und Warenmängel, nämlich Aus- und Wiedereinbau, Transport und Entsorgung, den Warenwert selbst teils deutlich übersteigen. Hinsichtlich dieser Kosten schützt die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nur Verbraucher, nicht aber den professionellen Einkäufer.

Tipp: Zwingend erforderlich sind daher ausdrückliche und detaillierte vertragliche Regelungen, wer die etwaigen Kosten über die Ersatzlieferung hinaus tragen soll.