Traditionelle Beschaffung bindet unnötig Kapazitäten

Die traditionelle Beschaffung erfordert einen hohen Zeitaufwand und bindet personelle Kapazitäten meist auf mehreren Ebenen. Diese umständlichen Prozesse erzeugen hohe Kosten, die den Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie nicht mehr gerecht werden. Speziell routinemäßige Beschaffungen von indirekten Gütern wie MRO-Produkten (Maintenance, Repair, Operations) oder von C-Gütern werden im herkömmlichen Einkauf ebenso behandelt wie der Einkauf von großen Mengen der A-Kategorie oder hochpreisigen Bauteilen für die Produktion. Zwangsläufig ist der Aufwand für häufig wiederkehrende Routine-Bestellungen dadurch unnötig groß, während den wirklich wichtigen Beschaffungsaufgaben zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wegen der meist geringen Kosten der MRO- und C-Güter sind die Prozesskosten dann unverhältnismäßig hoch. Typische Prozessschritte eines traditionellen Bestellvorgangs sind

  • Bedarfsfeststellung
  • innerbetriebliche Materialanforderung
  • Genehmigungsverfahren
  • Mittelprüfung
  • Freigabe der Materialanforderung durch die Anlagenbuchhaltung
  • Sondierung des Marktes
  • Analyse der Angebote
  • schriftliche Bestellung
  • Wareneingangskontrolle
  • Rechnungsprüfung
  • Buchung der Eingangsrechnung
  • Anweisung der Zahlung

An diesen zwölf Prozessschritten sind mehrere Abteilungen beteiligt. Dieses Verfahren ist daher im Hinblick darauf, dass es auch für die Bestellung von zehn Bleistiften oder der regelmäßig in der Produktion notwendigen Schmiermittel angewendet wird, äußerst ineffizient. Zudem wendet die Einkaufsabteilung für die Beschaffung derartiger Güter enorm viel Zeit auf, die an anderer Stelle für intensive Preis- und Konditionenverhandlungen mit neuen Lieferanten fehlt. Für eine umfassende Marktanalyse bei der erstmaligen Beschaffung von Materialien oder Bauteilen für die Herstellung neuer Produkte fehlt ebenfalls die Zeit, sodass unter Umständen überhöhte Preise bezahlt werden. Diese Form des Einkaufs kann sich kein Unternehmen mehr leisten, denn sie ist schlicht zu teuer. Die Alternative ist eine Automatisierung durch E-Procurement. 

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Gute Gründe für die Automatisierung durch E-Procurement

Moderne Kommunikations- und Informationstechniken, insbesondere das Internet, bieten vielfältige Möglichkeiten, Bestellungen zeitsparend abzuwickeln. Derselbe Bestellvorgang kann mit einer vollständigen Automatisierung durch E-Procurement und der Ausstattung einzelner Mitarbeiter mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen direkt im Lager angestoßen werden und dann weitgehend automatisiert erfolgen. Dadurch verbleiben gerade noch zwei Arbeitsschritte für eine Bestellung von MRO- oder C-Produkten – die Bedarfsermittlung und die Zahlungsanweisung. Einige der Prozessschritte erfordern lediglich einen Anstoß oder eine Prüfung. Der Zeitaufwand reduziert sich auf weniger als 50 Prozent und die Kosten sinken auf gut 30 Prozent. Das Beschaffungswesen zeichnet sich durch eine starke Standardisierung der Arbeitsschritte aus. Das trifft verstärkt dann zu, wenn routinemäßige Bestellungen regelmäßig bei denselben Lieferanten erfolgen. Daher bietet der Aufgabenbereich ein hohes Automatisierungspotenzial, das eine Vielzahl von Arbeitsschritten und den damit verbundenen Medienbrüchen erübrigt. 

Die Ausprägung eines elektronischen Beschaffungssystems kann offen, halb offen oder geschlossen sein. Die Königsdisziplin bieten geschlossene Systeme, bei denen die IT-Netze von Lieferanten und Kunden direkt durch sichere Verbindungen vernetzt sind, z. B. per Virtual Private Network. Zwar bedeutet die Einrichtung eines geschlossenen E-Procurement-Verfahrens einen einmaligen Zeitaufwand für Implementierung und exakte Abstimmung der Schnittstellen, das Endergebnis ist aber eine enorme Entlastung für den Einkaufssektor. So entstehen Freiräume, die für wichtige Aufgaben wertschöpfend nutzbar sind. Die Installation geschlossener Systeme lohnt sich allerdings nur, wenn zwischen beiden Partnern ein erheblicher Beschaffungsumfang in regelmäßigem Turnus erfolgt. Denkbar sind diese IT-Lösungen u. a. in der Automobilindustrie.  
 

Klassifikation eines E-Procurement-Systems

Die Automatisierung durch E-Procurement ist auf den B2B-Bereich ausgerichtet und vereinfacht insbesondere standardisierte Routine-Bestellungen von niedrigpreisigen Gütern der MRO- und C-Klasse. Zunehmend werden inzwischen auch B-Güter online bestellt. Dabei unterstützen die E-Beschaffungssysteme sowohl fixe als auch dynamische Preise und eignen sich daher für die Katalogbestellung, aber auch für Reverse Auktionen im Internet. Für eine optimale Gestaltung von E-Procurement-Systemen sind einige Rahmenbedingungen vorteilhaft, zum Beispiel Rahmenverträge mit Lieferanten. Letztendlich zielt die Automatisierung durch E-Procurement darauf ab, die Prozesskosten entscheidend zu senken. 

Hinsichtlich der Unternehmensbeziehungen haben Sie die Möglichkeit, ein elektronisches Beschaffungssystem als Lieferantensystem, ein Beschaffersystem oder eine Marktplatzlösung einzuführen. Der kleinste Schritt in Richtung des elektronischen Einkaufs führt zu Marktplatzsystemen, die als offene Lösungen im Internet nutzbar sind. Eine große Anzahl von Anbietern stellt auf entsprechenden Plattformen ihre Produkte zahlreichen Einkäufern vor. Die Abwicklung der Bestellungen erfolgt entweder durch entsprechende Verlinkung auf der Plattform direkt zum Lieferanten oder durch Vermittlung des Plattformbetreibers. Die Verfahren sind ebenfalls stark automatisiert. 

Aufgrund ihrer offenen Struktur gelten Marktplatzsysteme als Many-to-many-Lösungen. Eine Buy-side-Lösung bieten offene und geschlossene Beschaffersysteme, in denen der Kunde Prozessdetails und das Bestellsystem vorgibt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Kunden regelmäßig große Bestellmengen aufgeben. Typische Beispiele für geschlossene Beschaffersysteme sind EDI-Verfahren. Lieferantensysteme als sogenannte Sell-side-Lösungen werden hingegen von den Lieferanten vorgegeben, sodass Kunden sich dem System anpassen müssen, um sich am elektronischen Bestellverfahren zu beteiligen. 

Fazit: Automatisierung durch E-Procurement muss sich lohnen

Wenn Sie die zahlreichen Vorzüge der elektronischen Bestellung nutzen möchten und sich für die Automatisierung durch E-Procurement entscheiden, hängt die Auswahl des Verfahrens stark von Ihren individuellen Bestellmengen und Bedürfnissen ab. Die Einrichtung eines geschlossenen Systems lohnt sich aufgrund des hohen Installationsaufwands meist nur bei regelmäßig großen Bestellmengen verschiedener Artikel. Beschafft Ihre Einkaufsabteilung aber häufig sehr differenzierte Güter bei unterschiedlichen Lieferanten, ist ein offenes System, für das keinerlei Installationsaufwand erforderlich ist, meist vorteilhafter. Eine interessante Alternative sind zudem die Marktplatz-Plattformen, auf denen Sie stets Zugriff auf die aktuellen Produktkataloge zahlreicher Lieferanten haben und einen direkten Preis- und Konditionenvergleich vornehmen können.