„Kein Bereich im Unternehmen hat so viel mit Korruption, unkonformen sozialen Standards und Betrugsversuchen zu tun – vor allem auf internationalem Parkett“, sagt Gerd Kerkhoff, Geschäftsführer des Consulting-Spezialisten Kerkhoff Group. Eine Expertenbefragung des Deutschen Instituts für Interne Revision (DIIR) bestätigt diese Aussage.

Danach zählt der Einkauf zu den Geschäftsbereichen, die am anfälligsten für Korruption sind. Persönliche Vorteile durch Preisabsprachen, zum Beispiel mit Lieferanten, sind eines der größten Probleme. Als Tatmotive spielen laut DIIR meist Habgier, Geltungsbedürfnis und finanzielle Engpässe eine Rolle.

Das Betreten der Produktion kann ein Schritt zu viel sein
 

Wer es mit Compliance-Anforderungen ernst nimmt, muss seine Verhaltensweisen überprüfen. Besucht beispielsweise ein Einkäufer einen Lieferanten im Zuge eines Lieferanten-Audits, muss der Einkäufer darauf achten, ob der Lieferant ein Wettbewerber ist. Ist dem so, darf der Einkäufer nicht oder nur eingeschränkt die Produktion des Lieferanten betreten. Andernfalls könnte der Einkäufer Gefahr laufen, gegen das Kartellrecht zu verstoßen.

Ein typischer Compliance-Verstoß ist das Annehmen von Geschenken, auch „passive Korruption“ genannt. Der Sachverhalt ist im Strafgesetzbuch im §299 (1) unter „Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ klar geregelt.

Demnach wird „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens
 

  1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
  2. ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.”

Ausnahmen sind branchenübliche und geringfügige Geschenke, zum Beispiel Kugelschreiber oder Süßigkeiten, wenn diese Zuwendungen sich nicht stark häufen.

Compliance im Einkauf lohnt sich
 

Compliance-Management verringert das Haftungsrisiko eines Unternehmens und seines Managements. Es minimiert das Risiko von Bußgeldzahlungen, Reputationsschäden, Umsatzeinbußen, Kundenverlust, Schadenersatzansprüchen und dem Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.

Außerdem rückt das Befolgen von Richtlinien beispielsweise in den Bereichen Umweltschutz und Arbeitnehmerschutz auch beim Kunden immer mehr in den Fokus. Güray Karaca, Spezialist für Supply Chain Management bei Kerkhoff Risk and Compliance GmbH, weiß: „Wer proaktiv und fürsorglich mit den natürlichen und menschlichen Ressourcen umgeht, wird vom Markt belohnt werden.“

Tipps für den Aufbau eines Compliance Managements
 

Die Schaffung einer Compliance-Struktur im Einkauf umfasst – grob gefasst – vier Punkte. Im ersten Schritt sollten die Einkaufsprozesse einer genauen Risikoanalyse unterzogen werden: Wo bestehen Risiken für das Unternehmen, gegen geltende Gesetze zu verstoßen? Aus der Risikoanalyse lassen sich dann organisatorische Maßnahmen und Richtlinien ableiten, die entsprechend im Unternehmen umzusetzen sind.

Das Ganze sollte durch Kontrollmechanismen regelmäßig überprüft und abgesichert werden. Und natürlich muss die Compliance-Struktur im Einkauf durch die Information und Schulung der Mitarbeiter auch gelebt werden. Alle Mitarbeiter müssen lernen und verstehen, wie sie sich rechtskonform verhalten.

Compliance im Einkauf: Das können Sie konkret tun
 

Grundsätzlich ist es Aufgabe der Geschäftsleitung, Compliance-Richtlinien zu gestalten und die Mitarbeiter darüber zu informieren. Die Leitung des Einkaufs kann zusätzliche Compliance-Regeln definieren. Folgende Punkte sind zu beachten:
 

  • Lassen Sie Bestellungen immer von zwei Personen unterschreiben. So besteht eine zusätzliche Kontrollinstanz.
  • Lassen Sie Rechnungsstellung und Rechnungsführung nicht von ein und derselben Person erledigen.
  • Halten Sie sich an die Datenschutzregeln (DSGVO).
  • Treffen Sie mit Lieferanten Vereinbarungen über die Rechtmäßigkeit und fairen Handel.
  • Überprüfen Sie gelieferte Produkte immer sofort und führen Sie regelmäßig Stichproben durch. Verantwortlich hierfür sollte die Abteilungsleitung sein.
  • Stellen Sie Regeln auf zur Verhinderung von Bestechung und illegalen Preisabsprachen.
  • Benennen Sie eine Kontaktperson, an die Mitarbeiter direkt und diskret Missstände melden können.

Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) als größter Einkäuferverband in Europa hat mit der BME-Compliance-Initiative einen internationalen und branchenübergreifenden Mindeststandard geschaffen. Ansinnen des BME ist es, Unternehmen bei Aufbau und Weiterentwicklung einer entsprechenden Unternehmenskultur zu unterstützen. Mehr Informationen gibt es unter https://www.bme.de/initiativen/compliance/.


Lesen Sie zum Thema Compliance im Einkauf auch unser Interview mit Rainer Markfort, Corporate-Partner im Berliner Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons.