Lange Periode der Unsicherheit in der Beschaffung

Die Coronavirus-Pandemie hat weltweit zu erheblichen Störungen in den Lieferketten geführt und ganze Volkswirtschaften massiv beeinträchtigt. Auch wenn die Talsohle im Juli 2020 durchschritten scheint, wird die Rezession wohl noch monatelang anhalten. Ob es zu erneuten virusbedingten Produktionsstopps kommen wird, kann niemand seriös voraussagen. Für Einkäufer steht demnach eine lange Periode der Unsicherheit bevor, die bis weit ins Jahr 2021 andauern könnte.

Da die Beschaffung eine dominierende Rolle im Kostenmanagement einnimmt, sind vor allem die Einkaufsleiter gefordert, ihre Unternehmen vor den Auswirkungen – und den Kosten – dieser Unbeständigkeit zu schützen. Wie CPOs ihr Unternehmen am besten auf extreme wirtschaftliche Volatilität vorbereiten, hat die Hackett Group in ihrem Procurement Insight Report untersucht.

Externe Ausgaben beeinflussen und kontrollieren

Die Beschaffungsabteilung kann Ausgaben beeinflussen und kontrollieren wie keine andere Abteilung – mit Ausnahme der Personalabteilung bei den zu zahlenden Gehältern. Doch wer sich in Krisenzeiten zu Massenentlassungen entschließt, schränkt die Möglichkeiten des Unternehmens erheblich ein, auf plötzliche Marktbewegungen adäquat zu reagieren. Demnach ist der Einkauf gefragt, durch seine Verhandlungsfähigkeiten Geld einzusparen und die Liquidität sicherzustellen.

Der Procurement Report unterscheidet dabei kurz- und langfristige Best Practices, die von den Führungskräften im Einkauf befolgt werden sollten, um Risiken in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität zu mindern.

 

3 kurzfristige Vorgehensweisen für CPOs

1. Worst-Case-Szenarien planen

Um für den Worst Case gewappnet zu sein, sollten Einkaufsleiter die Sicherheitsbestände – sofern verfügbar – erhöhen, um Störungen in der Lieferkette vorzubeugen. Was benötigte Dienstleistungen angeht, sollten Pläne vorliegen, wie einzelne Services flexibel zu ersetzen sind. Ein guter CPO weiß, welche Produkte oder Dienstleistungen im ungünstigsten Fall mutmaßlich verspätet oder gar nicht geliefert werden können und nimmt zeitnah eine zweite Quelle in Anspruch. In unkritischen Kategorien können die Anschaffungen über einen gewissen Zeitraum reduziert oder unterbrochen werden, um die Beschaffungskosten in der Balance zu halten.

2. Alternative Lieferquellen außerhalb von Hochrisikogebieten suchen

Lieferrisiken stellen für die Einkaufsabteilung das größte Problem dar. Deshalb sollten CPOs alle Lieferanten in geografischen Risikogebieten ausmachen, diese unter besondere Beobachtung stellen und die Kommunikation intensivieren. So entsteht schnell ein Bild des Ausmaßes potenziell gefährdeter Lieferströme. Dann gilt es, für Versorger in problematischen Gebieten schnellstmöglich Alternativen zu finden und den Onboarding-Prozess zu beschleunigen. Ein professionelles und agiles Supply-Chain-Risikomanagement (SCRM) hilft, die Maßnahmen umzusetzen.

3. Intelligente Kostenreduktion durchführen

In Zeiten einer Rezession werden Kürzungen oft an allen Kostenstellen vorgenommen. Doch solche Kurzschlussreaktionen können die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen, da zum einen die Arbeit an profitablen Projekten gestört, zum anderen die Erschließung neuer Märkte erschwert wird. CPOs können hier ihre Beziehungen zu Lieferanten nutzen, um stattdessen externe Kosten zu reduzieren – nicht nur durch eine Anpassung der Preise oder Bedingungen, sondern auch mit kreativen Ideen, wie beispielsweise der Einbindung alternativer Produkte oder der Umstrukturierung von Prozessen und Arbeitsabläufen.

4 langfristige Vorgehensweisen für CPOs

1. Agile planerische Denkweisen einführen

Einkaufsabteilungen müssen in ihren Planungen agil bleiben, um sich zügig auf neue Bedingungen einzustellen. Während der Finanzkrise 2008 wurden viele von dem plötzlichen Wirtschaftseinbruch überrascht, 2020 konnten einige Unternehmen dagegen schon schneller reagieren. So hatten einige Fluggesellschaften ihre Flotten umgehend stillgelegt und die Routen an die geänderten Bedürfnisse der Kunden angepasst. Dieses Vorgehen müsse laut des Reports auch für die Beschaffung vorbildlich sein: Veränderte Marktbedingungen, Preisfluktuationen und Arbeitskräftemangel antizipieren und voraussagen sowie schnell auf Lieferengpässe und Regierungserlasse reagieren.

2. Technologien zur Kostensenkung einführen

Mit fortschrittlichen Analysemethoden können Einkaufsorganisationen ihre derzeitigen Prozesskosten und die entsprechende Performance bewerten – mit dem Ziel, Bereiche ausfindig zu machen, die bei vergleichsweise hohen Kosten einen geringen Ertrag erwirtschaften. Eine Studie prognostiziert einen jährlichen Anstieg bei der Einführung solcher Analyse-Lösungen und Datenvisualisierungs-Tools in Unternehmen um rund 23 Prozent.

3. Einkauf weiter automatisieren

Das Thema Automatisierung steht im Einkauf schon seit Jahren auf der Agenda und sorgt bereits für Effizienzgewinne. Mit der Entwicklung neuer Technologien gewinnt dieser Bereich weiter an Bedeutung. Laut des Procurement Insight Reports könnten Einkaufsorganisationen dank Smart Automation künftig rund ein Viertel der Vollzeitmitarbeiter in diesem Bereich einsparen und die Kosten um 17 Prozent reduzieren.

4. Prozesse in zentralen Geschäftseinheiten bündeln

Insbesondere für Großunternehmen kann es sinnvoll sein, Beschaffungsprozesse in zentralen Geschäftseinheiten zu bündeln, die dann für sämtliche Unternehmensteile weltweit als alleiniger Dienstleister auftreten. Solche Global Business Services oder Centers of Excellence (Kompetenzzentren) punkten durch hohe Kosteneffektivität aufgrund von Skaleneffekten, Verbundeffekten und Qualifikationsvorteilen.