Herr Künzel, Ihre ersten beiden Publikationen drehen sich speziell um das Thema interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen (KLB). Seit dem Erscheinen beider Werke ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen – haben Sie das Gefühl, dass Ihre Botschaft mittlerweile angekommen ist?

Hansjörg Künzel: Nein, das habe ich tatsächlich nicht. Seit über 20 Jahren befasse ich mich mit dem Thema Service-Qualität und den Beziehungen innerhalb eines Unternehmens sowie zu externen Kunden. Meine Botschaft beachtet vielleicht eine Firma unter Hunderten. Ein Unternehmen kann einfach nur guten Service für externe Kunden liefern, wenn Mitarbeiter zufrieden sind, also die internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen stimmen.

Zudem werden externe Kunden oft als ein notwendiges Übel betrachtet. Den Spruch „Der Kunde ist König“ schreiben sich zwar alle auf die Fahne, er wird aber im Tagesgeschäft nur selten eingehalten. Im Gegenteil: Alles, was intern abläuft, ist erst einmal wichtiger als der interne oder externe Kunde. Wenn der Chef ruft, springen die Mitarbeiter. Ruft zur gleichen Zeit ein Kunde, wird der Chef wegen der betrieblichen Hierarchie bevorzugt behandelt. Das ist das größte Problem vieler deutscher Unternehmen. Was die externe Kundenbetreuung nach dem Kauf – also das After-Sales-Management – betrifft, kann man sich von Italien oder Japan einiges abschauen. 

Was steckt hinter dem Konzept der internen KLB und in welchem Zusammenhang steht sie zur Beziehung mit externen Lieferanten?

In Japan wurde schon Mitte der 90er-Jahre das Konzept der internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen entwickelt. Dieses geht davon aus, dass jeder interne Prozess eines Unternehmens die Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen und Mitarbeiter erfordert. Die einzelnen Abteilungen „handeln“ untereinander vor allem mit Informationen. Wenn Geschäftsprozesse hier schon optimal auf die Anforderungen interner Kunden ausgerichtet sind, wirkt sich das positiv auf die externen Kundenbeziehungen aus. Beides steht also in direkter Wechselwirkung zueinander und kann nicht alleine betrachtet werden. 

 

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Welchen Nutzen hat ein Unternehmen davon, diese interne Kunden-Lieferanten-Beziehung in seinen Prozessen zu verankern?

Hier gilt es zu unterscheiden. Auf der einen Seite zählt der Gewinn, den ein Unternehmen hieraus intern und für eigene Prozesse zieht:

  • Vermittlung einer „Begrifflichkeit” zum Verständnis gegenseitiger Anforderungen und Erwartungen
  • Verbesserung der Kommunikation und des Informationsflusses
  • Klärung und Abgrenzung von Schnittstellen und Kompetenzbereichen

Natürlich ergeben sich daraus auch zahlreiche Gelegenheiten, die Zusammenarbeit mit externen Kunden und Lieferanten zu verbessern:

  • Entwicklung einer kundenorientierten Unternehmenskultur
  • Geschäftsprozessoptimierung aus Kundensicht
  • Verankerung eines kundenorientierten Qualitätsbewusstseins bei den Mitarbeitern und Führungskräften
  • Erzeugung und Verbesserung der Kundenorientierung der Mitarbeiter und Führungskräfte sowohl intern als auch extern

Können Sie einige konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der internen Kundenzufriedenheit skizzieren?

Zunächst ist es wichtig, dass interne Kundenzufriedenheit in den Zielvereinbarungen eines Unternehmens genannt wird. Wenn es nach außen kommuniziert wird, muss es auch eingehalten werden. Außerdem gehört es dazu, dass der Chef mit gutem Beispiel vorangeht, da die interne Kommunikation stets nach außen getragen wird.

Als möglichen Anreiz könnte man auch darüber nachdenken, 20 bis 25 Prozent des Gehalts an die Zufriedenheit der Kunden zu knüpfen – intern wie extern. Kundenservice ist schlichtweg eine Haltung, die in einem Unternehmen jeder teilen sollte. 

 

Wie begleiten Sie im Change Management das Unternehmen bei der KLB-Umsetzung?

Bei so einem groß angelegten Projekt ist ein Kommunikationskonzept extrem wichtig. Zum einen muss man die Mitarbeiter von Beteiligten zu Betroffenen machen und zum anderen die Sinnhaftigkeit des ganzen Projektes vermitteln. Das heißt, den gesamten Prozess haben wir immer wieder durch Schulungen begleitet. Dabei ist die visuelle Aufbereitung sehr wichtig und natürlich die Überprüfung durch Umfragen. Außerdem besprechen wir in den Schulungen nicht immer nur negative Aspekte, sondern verwenden mindestens die Hälfte der Zeit darauf, die Dinge zu untersuchen, die bereits richtig gut funktionieren. 

Der Aufbau beziehungsweise die Optimierung einer firmeninternen KLB erfordert große Veränderungsprozesse im Unternehmen. Können Sie vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?

Im Rahmen eines Transformationsmanagement-Projekts haben wir 1996 Daimler mit dem KLB-Konzept geholfen, sich kundenorientierter aufzustellen. Das Projekt war auf den gesamten Vertriebsbereich mit über 15.000 Mitarbeitern angelegt und dauerte insgesamt zwei Jahre. Bereits nach kurzer Zeit konnten wir einen Erfolg feststellen, da die Mitarbeiter sich zum ersten Mal in die jeweils andere Rolle eingefunden haben und begriffen, dass auch sie in einer Dienstleistungsverantwortung stehen. Nach eineinhalb Jahren konnte man auch bei der Kundenzufriedenheitsmessung eine höhere Zufriedenheit bei den Externen feststellen. Die KLB ist also ein extrem gutes Tool, um Prozesse zu optimieren. 

Welche Methoden und Werkzeuge nutzen Sie, um die interne KLB zu evaluieren?

Wir führen in regelmäßigen Abständen quantitative, aber auch qualitative Umfragen in 15 verschiedenen Kategorien durch. Interessanterweise sind wir gerade dabei, von Online-Mitarbeiterbefragungen wieder zur Papierform zu wechseln. Es hat sich herausgestellt, dass sich viele Mitarbeiter weniger Zeit für einen Online-Fragebogen nehmen. Außerdem herrscht nach wie vor Skepsis gegenüber der digitalen Version. Ergebnisse könnten ja personalisiert werden oder beim Chef landen, was natürlich nicht stimmt. 

Ist es notwendig für eine gute Geschäftsbeziehung, den Einkäufer zum Lieferanten zu schicken? Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht dieser direkte Kontakt?

Der direkte Kontakt ist und bleibt extrem wichtig. Aber nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Einkäufer und Lieferant muss stimmen. Eine enge Absprache braucht es auch zur Fachabteilung. Ich halte es für äußerst fatal, wenn der komplette Einkauf, wie in manchen Konzernen durchaus üblich, fast komplett ausgelagert ist. Dadurch spart man sich zwar Kosten, aber darunter leidet erneut die Qualität. 

Bei welcher Firma ist die Ausrichtung auf die Kundenzufriedenheit besonders gut gelungen?

Meiner Meinung nach hat Gaggenau Hausgeräte das gut angestellt. Die Marke aus dem Luxussegment hat extrem in die After-Sales-Betreuung investiert. Ziel war es, aus zufriedenen Kunden Fans zu machen. Ein weiteres Unternehmen, das in Sachen Service und Kulanz hervorragend reagiert, ist meiner Meinung nach Amazon. Guter Service spricht sich eben überall herum. Das Schlüsselwort heißt auch in unserer digitalisierten Welt nach wie vor Mund-zu-Mund-Propaganda. 

Herr Dr. Künzel, vielen Dank für das Interview!

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