Die Fliesen des Herrn Müller
 

Eigentlich freut sich Herr Müller über die neuen Badezimmerfliesen aus dem Baumarkt. Doch schon kurz nach dem Verlegen zerbricht eine Bodenfliese, als er darauf tritt. Wenig später die nächste.

Herr Müller kontaktiert umgehend den Baumarkt und verlangte neue Fliesen. Doch wer übernimmt die Kosten für den Ausbau der alten und den Einbau der neuen Fliesen? § 439 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lässt da seit 2011 keine Fragen offen – zumindest im Verhältnis zwischen Händler und Verbraucher: Der Händler muss demnach den Aus- und Einbau beziehungsweise die damit verbundenen Kosten im Rahmen seiner gesetzlichen Nacherfüllungspflicht übernehmen.

Für den Baumarkt stellt sich nun die Frage, ob, wie und in welchem Umfang er seinen Lieferanten, den Hersteller der Fliesen, in Regress nehmen kann.

Haftung in der Lieferkette: Gesetzeslage vor der Reform
 

Vor dem neuem Kaufvertragsrecht galt der Grundsatz, dass ein Verkäufer im Sinne des verschuldensunabhängigen Nacherfüllungsanspruchs gegen seinen Lieferanten zwar die kostenfreie Nachlieferung neuer, mangelfreier Ware verlangen konnte. Die Ein- und Ausbaukosten jedoch waren vom Umfang des Nacherfüllungsanspruchs nicht erfasst – mit der Konsequenz, dass der Händler auf den Kosten sitzen blieb.

Die Gesetzeslage nach der Reform
 

Der Gesetzgeber hat insbesondere mit den Neuregelungen der § 439 Absatz 3 und § 445a Absatz 1 und 3 BGB deutlich gemacht, dass er den oben genannten Kostennachteil durch Ein- und Ausbauten bei verschuldensunabhängiger Nacherfüllung für den Händler nicht länger hinnimmt. Laut Neuregelung kann der Händler seinen Lieferanten nun vollumfänglich in Regress nehmen. Das gilt auch, wenn entlang der Leistungskette der Sache nach nur B2B-Geschäfte abgeschlossen wurden.

Das bedeutet: Der Anspruch des Käufers erstreckt sich nun über die gesamte Lieferkette und geht somit auf Kosten des Unternehmens, das für den Mangel verantwortlich ist – in unserem Fall der Hersteller, der die Fliesen in einer mangelhaften Qualität hergestellt und geliefert hat.
 

Alle B2B-Geschäfte von Neuregelung betroffen
 

Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber auch eine grundlegende Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung herbeigeführt. Der verschuldungsunabhängige Anspruch des Käufers gegenüber dem Verkäufer auf Ersatz ist seither auf sämtliche Kaufverträge anwendbar – auch im B2B-Bereich.

Bestellt beispielsweise ein Pumpeninstallateur Motoren bei einem Lieferanten, die sich nach Einbau in die Anlage eines Kunden als mangelhaft herausstellen, muss der Installateur gegenüber seinem Kunden zwar für den Austausch der fehlerhaften Teile sorgen. Für diese Kosten kann er aber innerhalb der Lieferkette Regress bei seinem Lieferanten anmelden – inklusive Aus- und Wiedereinbaukosten.

Untersuchungs- und Rügepflicht gilt nach wie vor
 

Selbstverständlich entbindet die Neuregelung des Kaufvertragsrechts die Unternehmen nicht von ihrer Untersuchungs- und Rügepflicht. Heißt: Der Käufer muss die Ware unverzüglich nach Ablieferung untersuchen und erkennbare Mängel ebenso unverzüglich dem Lieferanten anzeigen. Ansonsten läuft er Gefahr, sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mangel zu verlieren.

Fazit
 

Für Händler sind die Neuerungen eher von Vorteil als von Nachteil. Zwar beinhaltet die Neuregelung, dass sie im Rahmen der gesetzlichen Nacherfüllung weiterhin verpflichtet sind, die Aus- und Wiedereinbauten von mangelhafter Ware vorzunehmen. Die Händler können die Kosten dafür jedoch wegen der geänderten Haftung in der Lieferkette an ihre Lieferanten weitergeben.