Einkäufer sind strategische Disponenten

Der Einkäufer von heute hat mit dem von vor zwanzig Jahren praktisch nichts zu tun. Im Zeitalter der Digitalisierung blättert er keine Kataloge durch, um dann zum Hörer zu greifen. Der moderne Einkäufer ist ein strategischer Disponent, der aufgrund seiner Ausbildung technische Prozesse gut versteht.

Die Rolle des Einkäufers ist zudem anspruchsvoller geworden. „Es gehört der Vergangenheit an, dass der Einkauf als operativer Bestellauslöser an der Schnittstelle zu den Lieferanten agiert“, erläutert Alexander Sehr vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Sehr ist Teamleiter „Lehrgänge und Zertifizierungen“ an der BME-Akademie, seiner Meinung nach sind Einkäufer mehr denn je als Treiber von Kostensenkungs-, Qualitäts- und Innovationsmaßnahmen in Unternehmen gefragt. Der Einkäufer werde immer mehr zum Manager der gesamten Supply Chain.

Viele Verkäufer kontaktieren direkt die Fachabteilungen

Weil viele Verkäufer die Rolle und Fähigkeiten des modernen Einkäufers nicht verstanden haben, nehmen sie zwecks Akquise direkt Kontakt mit den Fachabteilungen auf. Fachabteilung und Verkäufer entwerfen gemeinsam Szenarien für die Problemlösung, der Verkäufer bereitet daraufhin sein Angebot vor und schickt es an die Fachabteilung. Doch die leitet das Angebot dahin weiter, wo es hingehört: in den Einkauf.

An dieser Stelle kommt es häufig zu Missverständnissen zwischen Verkäufern und Einkäufern. Viele Verkäufer sind nach dem Gespräch mit der Fachabteilung euphorisch und gehen fest davon aus, dass ein Auftrag erteilt wird. Der Einkauf sieht in der Information aus der Fachabteilung jedoch zunächst lediglich eine Bedarfsmeldung.

Einkauf möglichst frühzeitig an Bord holen

Nicht nur, um Missverständnissen vorzubeugen, sollten Verkäufer den Einkäufer möglichst früh einbinden. Der enge Austausch mit dem Einkauf kann dazu beitragen, dass dieser ein besseres Wertbewusstsein entwickelt.

Nehmen wir beispielhaft an, ein Unternehmen benötigt für seine Abwasserpumpen neue Gleitringdichtungen. Ein Verkäufer spricht mit dem Produktionsleiter und überzeugt ihn von seinen Produkten, die 20 Prozent länger halten als herkömmliche Gleitringdichtungen. Überzeugend für den Produktionsleiter sind vor allem die schnelle Austauschbarkeit der Gleitringdichtungen sowie der umfassende Service des Verkäufers.

Wenden wir uns nun dem Einkäufer zu: Dieser entscheidet sich in der Regel zunächst für das günstigste Angebot. Vermittelt der Verkäufer dem Einkäufer an dieser Stelle die Vorteile seiner Gleitringdichtungen, kann der Einkäufer den Wert der anstehenden Investition besser einschätzen. Nur wenn der Einkäufer weiß, wie teuer ein durch einen Gleitringdichtungsausfall verursachter Produktionsausfall das Unternehmen zu stehen kommt, versteht er, warum er für eine erhöhte Lebensdauer von 20 Prozent den dreifachen Preis bezahlen soll.

Verhältnis zwischen Fachabteilung und Einkauf klären

Damit der Einkauf alle benötigten Informationen erhält, sollten Verkäufer im Gespräch mit der Fachabteilung so schnell wie möglich klären, wie die Beschaffung in einem Unternehmen abläuft. Wer entscheidet was? Wer gibt welche Informationen weiter?

In diesem Zusammenhang ist zu analysieren, wer zu welchem Zeitpunkt in den Beschaffungsprozess involviert ist. Dies erfordert vom Verkäufer diplomatisches Geschick: Fragt der Verkäufer zu früh nach dem Ansprechpartner im Einkauf, fühlt sich die Fachabteilung auf den Schlips getreten und in ihrer Kompetenz angezweifelt. Erkundigt sich der Verkäufer nicht oder zu spät, gehen wichtige Informationen auf dem Weg zum Einkauf verloren. Wie also vorgehen? Mit Transparenz und Partnerschaft!

Der Verkäufer könnte der Fachabteilung anbieten, selbst mit dem Einkauf zu sprechen. Begründung: Die Erfahrung zeigt, dass eine rechtzeitige Einbindung des Einkaufs Zeit und Geld spart. Generell sollte der Verkäufer von Anfang an genau hinhören, was die Fachabteilung über den Einkauf äußert. Der Verkäufer kann dann zwischen den Zeilen lesen und besser einschätzen, inwieweit er den Einkauf informieren muss.

Im Umgang mit dem Einkauf ist Fingerspitzengefühl gefragt

Verkäufer sollten Einkäufern von Anfang an zu verstehen geben, dass sie keine „Gegner“ sind, sondern Partner sein können. Das gelingt am ehesten, wenn sie sich gegenüber dem Einkauf wertschätzend und partnerschaftlich verhalten. Idealerweise vermitteln Verkäufer den Einkäufern, dass sie bei der Optimierung von Beschaffungsprozessen helfen können.

Es ist beispielsweise ratsam, dass Verkäufer Einkäufer fragen, welche Anforderungen sie an ihre Lieferanten stellen, welche Kriterien ihnen bei der Lieferantenauswahl wichtig sind und ob sie die Einkäufer anderweitig in ihren Bestellprozessen unterstützen können.

Genauso wesentlich sind Fragen, um die Zusammenarbeit generell effektiver zu gestalten. Dies können Erkundigungen sein wie: „In welche Projekte sind Sie eingebunden?“ Oder: „In welchen Bereichen denken Sie über Outsourcing nach?“ Mit solchen Fragen bringt der Verkäufer dem Einkäufer Wertschätzung entgegen. Gleichzeitig versteht der Verkäufer besser, wie der Einkauf in einem Unternehmen tickt.

Fazit

Viele Verkäufer schätzen die Rolle des Einkaufs falsch ein. Sie begehen den Fehler, den Einkauf umgehen zu wollen, indem sie sich direkt an die Fachabteilungen wenden. Dieses Vorgehen ist nicht zielführend, wendet sich die Fachabteilung daraufhin wieder an den Einkauf. Außerdem gehen auf diese Weise wertvolle Informationen verloren. Anders geht es besser: Begegnen sich Verkäufer und Einkäufer respektvoll und partnerschaftlich, kann sich eine wertvolle Beziehung entwickeln, von der beide Seiten profitieren.