Spielen Sie Mühle? Auch wenn Sie mit diesem Brettspiel nicht vertraut sind, kennen Sie sicher den heikelsten Spielzug – die Zwickmühle. Egal, welchen Zug Sie noch machen können, Ihr Gegner ist mit der Zwickmühle im Vorteil und Sie verlieren das Spiel. So ähnlich kann es Ihnen gehen, wenn Sie den Zielkonflikt zwischen Beschaffungskosten und Lagerkosten lösen müssen. Schaffen Sie es, zu günstigen Konditionen einzukaufen, dürfen Sie sich über niedrigere Preise, Rabatte, ein gut gefülltes Vorratslager und zufriedene Kunden freuen. Engpässe in der Produktion und lange Lieferzeiten sind dann nicht Ihr Problem.

Aber wahrscheinlich bereiten Ihnen die Lagerkosten Kummer. Die Lagerkosten steigen schneller an, als Ihnen lieb ist. Am Ende fressen die Kosten für Lagerräume, die gelagerte Ware, Personalkosten und die Kapitalkosten den Vorteil der günstigen Beschaffung vollkommen auf. Wie können Sie diesen Konflikt lösen?
 

So lösen Sie den Zielkonflikt zwischen Beschaffungs- und Lagerkosten


1. Strukturieren Sie Beschaffungsvorgänge neu!


Es gibt ungezählte Berechnungsformeln für die optimale Losgröße, die richtige Bestellmenge oder die Lagerintensität. Darin steckt das kaufmännische Wissen vieler Generationen von Wissenschaftlern, Wirtschaftsfachleuten und Unternehmern.

Die neueren Erkenntnisse stammen aber noch aus einer Zeit um die Jahrtausendwende, also zwischen 1990 und 2010. Sie behandeln die Fragen in Beschaffung und Logistik, die sich aus den bis dahin erkennbaren Veränderungen in der Produktion und der Logistik von Produkten ergaben.

Inzwischen sind die Veränderungen in der Produktion von Waren oder Dienstleistungen so dynamisch, dass sie in immer kürzeren Perioden erfolgen. Als Sammelbegriff für diese Neuerungen ist die Industrie 4.0. Dieses Konzept hat nicht nur die Industrie, sondern auch Handel und Gewerbe nachhaltig verändert.Grundlage dieser Veränderungen ist die Vernetzung von Unternehmen, Fertigungsanlagen, Maschinen, Kunden und Lieferanten. Kein Unternehmen und keine Abteilung, kein Mitarbeiter und keine Führungskraft bleiben davon ausgenommen.
 

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Die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen bekommt dabei größeres Gewicht. Das ist Ihre Chance! Suchen Sie Mittel und Wege, den Einkauf und die Verteilung neu zu strukturieren und an unterschiedliche Beschaffungsaufgaben besser anzupassen. 
 

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2. Kompetenzen verteilen und Aufgaben bündeln!
 

Die umfassende Vernetzung von Kunden und Unternehmen, Produzenten und Zulieferern ermöglichen die Aufgabenteilung und die Teilung von Kompetenzen und Entscheidungen. So entstehen zum Beispiel immer mehr Systempartnerschaften, in denen sich die Partner Entwicklungsaufgaben, die Fertigung oder die Logistik teilen.

Ein Beispiel für solche neuen Partnerschaften ist der lieferantengesteuerte Bestand (Vendor Managed Inventory). Der Kunde stellt dabei seinen Lieferanten alle erforderlichen Daten – Auftragsbestand, Abruftermine, Bedarfsmengen – in Echtzeit zur Verfügung. Die Lieferanten sorgen dafür, dass alle Zulieferungen zeitgerecht beim Kunden eintreffen und Produktionslücken gar nicht erst entstehen.

Solche und ähnliche Verfahren wurden zuerst im Handel genutzt, inzwischen sind auch in der Industrie solche Systempartnerschaften etabliert. Mit einem solchen System lassen sich Lagerkosten vermeiden und dennoch die Vorteile der Beschaffung von größeren Lieferlosen erhalten.

Eine andere Form der Aufgabenbündelung ist die Zulieferung ganzer Baugruppen. Dabei übernehmen die Zulieferer auch noch ganz andere Aufgaben – sie werden zum Entwicklungspartner. Beispiele für solche Aufgabenteilungen finden sich in der Automobilherstellung, im Maschinenbau, bei der Herstellung von Elektronik-Produkten oder in der chemischen Industrie. 

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3. Einkauf mit Steuerungsfunktion ausstatten!
 

Die Beschaffung bekommt in den meisten Unternehmen eine wichtige Funktion – sie steuert ganze Unternehmensbereiche. Dabei gibt es neue Schwerpunkte:
 

  • Green Procurement: Neben den klassischen Bewertungskriterien im Einkauf wie Preis, Qualität oder Service bekommt der Faktor 'Nachhaltigkeit' entscheidende Bedeutung. Das bedeutet, schon beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen muss deren Umweltverträglichkeit oder soziale Akzeptanz berücksichtigt werden.
  • Die betriebliche Aus- und Weiterbildung bekommt für die Mitarbeiter im Einkauf große Bedeutung. Fundiertes Wissen über die Marktentwicklung und die Anbieter ist ebenso von Bedeutung wie die Expertise in den Beschaffungsprozessen.
  • Reines Kostendenken ist bei einer einkaufsorientierten Unternehmensführung nicht genug. Es gilt, gute Ideen und Trends aufzunehmen und in das Unternehmen zu integrieren.  
     

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Fazit
 

Der Zielkonflikt in der Beschaffung und Lagerhaltung lässt sich nur durch Flexibilität lösen. Dabei ist es notwendig, verschiedene und angepasste Beschaffungsvarianten zu erproben und zu entwickeln. Die Lagerkosten lassen sich durch Systempartnerschaften und lieferantengesteuerten Bestand nachhaltig senken, ohne die Vorteile durch größere Bestellmengen und Lieferkontingente zu verlieren.