Im Mai 2018 veranstaltete der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) das 13. BME-Forum Controlling und Reporting in Düsseldorf. Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Expertentreffens: Einkaufstrategien entwickeln sich immer weiter in Richtung Wertbeitrag. Eindimensionale Kostenbetrachtungen sind nach Meinung der Einkaufs- und SCM-Experten nicht mehr zeitgemäß. Die Fachleute sehen in der Nutzwertanalyse für die Beschaffung das richtige Werkzeug für eine Neuausrichtung. 

„Wir müssen die Spielregeln ändern“, sagt Stephan Grzyl, Einkaufsmanager im Bereich Corporate Data Analysis und Catalogue bei der Aurubis AG. „Mit einer Nutzwertanalyse schaffen wir Akzeptanz und können auch zunächst nicht monetäre Wertbeiträge für die Unternehmensführung sichtbar machen“, so der SCM-Experte weiter.
 

Die Nutzwertanalyse: Kriterien und Analyse

Eine Nutzwertanalyse ist ein Bewertungsverfahren, mit dem sich Alternativen nach mehreren verschiedenen Zielkriterien bewerten und vergleichen lassen. Die Durchführung einer Nutzwertanalyse erfolgt in vier Schritten:
 

  1. Zielbestimmung: Festlegung der Bewertungskriterien und der K.O.-Kriterien
  2. Beschreibung der Alternativen: Gewichtung der Ziele und Zuordnung von Gewichtungsfaktoren
  3. Bewertung der Alternativen: Bewertung anhand einer festgelegten Skala
  4. Ergebnisermittlung: Rangfolgenbildung durch Verknüpfung der Gewichtungsfaktoren und Merkmale


Nutzwertanalyse: Das Scoring-Modell

Ein Unternehmen sucht einen neuen Standort. Zielbestimmung: Ein Standort muss identifiziert werden, der ideal ist hinsichtlich der Kunden- und Beschaffungsperspektive. K.O.-Kriterium ist ein nicht vorhandener Autobahnanschluss. Weitere wichtige Kriterien, die das Unternehmen festlegt und prozentual gewichtet: die Höhe der Mietkosten (50 %), die vor Ort vorhandene Kaufkraft (30 Prozent) sowie die Größe des Einzugsgebietes (20 Prozent).

Die Kriterien lassen sich unternehmensspezifisch formulieren. Für eine Nutzwertanalyse in Einkauf oder Logistik können das Faktoren sein wie die Qualität der Lagerhallen oder die Anbindung und Prozesse der IT-Systeme.

Die Standortkriterien werden dann mit Punkten bewertet: von 5 (sehr gut) bis 1 (mangelhaft).

Zur Veranschaulichung ein Beispiel. Wir ziehen drei Standorte in Betracht und bewerten diese anhand der zuvor festgelegten Kriterien:
 

  1. Möglicher Standort 1: Meppen. Die Mietkosten sind durchschnittlich. Das Einzugsgebiet und die Kaufkraft werden als gut eingeschätzt. Die nächste Autobahn ist allerdings 35 Kilometer entfernt.
  2. Möglicher Standort 2: Hamburg. Die Mietkosten sind hoch. Das Einzugsgebiet und die Kaufkraft werden als gut eingeschätzt. Die nächste Autobahn ist 4 Kilometer entfernt.
  3. Möglicher Standort 3: Hannover: Die Mietkosten sind hoch. Das Einzugsgebiet und die Kaufkraft werden nur als befriedigend eingeschätzt. Die nächste Autobahn ist 3 Kilometer entfernt.

Bewertung der Alternativen: Der Standort Meppen erfüllt das wichtigste K.O.-Kriterium (Autobahnanschluss) nicht und fällt deshalb sofort aus der weiteren Auswahl.

Für die Ergebnisermittlung erstellt das Unternehmen eine Nutzwertanalyse-Tabelle (Bewertungsmatrix):
 

   Hamburg  Hannover 
 Kriterien Gewichtung Teilnutzen gewichtet Teilnutzen gewichtet
 Mietkosten 50 Prozent 2 1,0 4 2,0
 Kaufkraft 30 Prozent 4 1,2 3 0,9
 Einzugsgebiet 20 Prozent 4 0,8 3 0,8
 Summe 100 Prozent  3,0  3,7


Der jeweils gewichtete Teilnutzen errechnet sich durch das Multiplizieren der vergebenen Punkte mit dem Faktor der Nutzwertanalyse-Gewichtung. Nach Addition der gewichteten Teilnutzen wird deutlich, welcher Standort das Rennen gemacht hat: Der Standort Hannover gewinnt in der Nutzwertrechnung mit 3,7 Punkten vor Hamburg mit 3,0 Punkten.