Afghanistan und Deutschland – Wirtschaft zwischen Krieg und Korruption
 

Die Lage in Afghanistan ist nach dem Machtwechsel durch die Taliban auf lange Sicht nicht kalkulierbar. Es laufen zwar erste Gespräche auf diplomatischer Ebene, doch ob und was dabei herauskommt, ist unklar. Sicher ist aber: Das neue Regime in der Hauptstadt Kabul ist an der politischen Zusammenarbeit mit anderen Staaten – auch der Bundesrepublik – interessiert. Nur damit fließen ausländische Gelder für einen wie auch immer gearteten Neu- oder Umbau einer Region, die ihn aus eigener Kraft kaum schaffen dürfte.

Für die deutsche Wirtschaft ist Afghanistan aktuell noch von sehr geringer Bedeutung. Nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft, Germany Trade and Invest (GTAI), belief sich 2020 der Wert von deutschen Exporten in das Land auf weniger als 70 Millionen Euro. Dazu trugen vor allem bei:
 

  • Fahrzeuge und Fahrzeugteile
  • Maschinen
  • Anlagen
  • Lebensmittel

Umgekehrt machten Afghanistans Ausfuhren (Trockenfrüchte, Saatgut und Teppiche) nach Deutschland lediglich 15 Millionen Euro aus.

Der niedrige Umsatz ist die Folge der Kriege, die unterschiedliche Parteien über die vergangenen Jahrzehnte in Afghanistan führten. Die permanente Krise sorgte dafür, dass sich immer mehr kleine, mittlere und große deutsche Unternehmen aus dem Land zurückgezogen haben. Aktuelle Zahlen über Investitionen deutscher Unternehmen dort gibt es nicht.

Ein weiteres Problem ist die seit längerem nahezu allgegenwärtige Korruption. Transparency International listet in seinem Korruptionsindex Afghanistan auf Platz 165 von 179 untersuchten Staaten.

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Ein weiteres Problem ist die seit längerem nahezu allgegenwärtige Korruption. Transparency International listet in seinem Korruptionsindex Afghanistan auf Platz 165 von 179 untersuchten Staaten.

Riesige Rohstoffreserven
 

Obwohl Afghanistan wirtschaftlich ausgemergelt ist, birgt es großes Potenzial. Das liegt vor allem in seinem Boden. Dort vermuten US-Geologen Rohstoffe im Wert von drei Billionen Dollar. Dazu gehört beispielsweise eine große Menge Lithium. Das Metall wird unter anderem für die Akkus von Elektroautos benötigt.

Außerdem verfügt Afghanistan über teils erhebliche Reserven an:
 

  • Eisen
  • Gas
  • Gold
  • Kohle
  • Kupfer
  • Salz
  • Schwefel
  • Zink

Doch die Förderung dieser Vorkommen gestaltet sich schwierig. Abgesehen von der angespannten politischen Lage liegt das auch an mangelnder Infrastruktur. Viele aussichtsreiche Schürfstellen liegen weit abseits von Verkehrswegen und sind damit unzugänglich. Sie zu erschließen, würde viel Zeit und Geld kosten.

Daran könnte ausländische Hilfe etwas ändern. So hatte die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Summe von 1,2 Milliarden Euro für 30 Projekte in Afghanistan geplant. Ein Teil des Geldes sollte über Ausschreibungen auch an deutsche Unternehmen fließen. Doch momentan liegen solche Vorhaben auf Eis. Außenminister Heiko Maas hat bis auf Weiteres sämtliche staatlichen Hilfszahlungen gestoppt. Auch aus dem Ressort von Entwicklungsminister Gerd Müller kommt derzeit kein Geld mehr.

Anfang Oktober haben sich die G20-Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Sie wollen eine koordinierte Antwort auf die humanitäre Krise über die Vereinten Nationen geben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erhöhte die versprochenen Hilfszahlungen für die afghanische Bevölkerung aus dem EU-Haushalt, die ursprünglich 50 Millionen Euro betragen sollten, auf rund eine Milliarde Euro.

Vor diesem Hintergrund ist es derzeit auch schwierig, privatwirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen, bestehende Lieferketten aufrechtzuerhalten und neue aufzubauen. Deshalb sollten deutsche Unternehmen die weitere Entwicklung beobachten und abwarten.

China und die Taliban
 

Eines der ersten Länder, die Kontakt zu den Taliban suchen, ist China. Es kündigte bereits an, Afghanistans Wiederaufbau zu unterstützen, zur wirtschaftlichen Erholung beizutragen und die soziale Entwicklung zu fördern. Das Motiv hinter dem Angebot ist allerdings nicht unbedingt finanzieller Art. Denn in erster Linie dürfte China damit beabsichtigen, seine sicherheitspolitischen Interessen zu wahren.

Die kommunistische Partei in Peking möchte über das Engagement verhindern, dass Afghanistan wieder zu einem Rückzugsraum für Terroristen wird. Sie fürchtet vor allem, dass der Erfolg der Taliban uigurische und islamistische Extremisten in der Region ermutigt, gegen China vorzugehen.

Dennoch scheut Peking momentan Investitionen in größerem Stil. Noch gibt es dort viele Vorbehalte hinsichtlich Sicherheit und politischem Umfeld. Dazu tragen auch schlechte Erfahrungen bei. So werden vereinbarte umfangreiche Projekte zur Förderung von Kupfer und Erdöl seit Jahren nicht verwirklicht. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Handelsbeziehungen Chinas zu Afghanistan in der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte – vor allem von Pinienkernen.