Problematische Versorgungsengpässe während der ersten Corona-Welle

Die erste Welle der Corona-Pandemie, die ab März 2020 Europa überrollte, traf auch den Einkauf völlig unvorbereitet. Innerhalb weniger Wochen stockten die Lieferketten an vielen Stellen, Versorgungsengpässe waren die Folge. Ganze Regale im Lebensmittel- und Drogeriehandel standen leer – zum einen bedingt durch das veränderte Nachfrageverhalten der Konsumenten, zum anderen aber auch durch logistische Probleme beim Handel, wie beispielsweise Verzögerungen durch Grenzkontrollen.

Auch die Industrie war von Lieferengpässen betroffen. Besonders die Elektronikbranche musste leiden, da China, Ausgangspunkt der Pandemie, der mit Abstand größte ausländische Lieferant für den deutschen Elektromarkt ist. Die Autoindustrie war zeitweise ebenfalls von Lieferschwierigkeiten betroffen.

Doch es drohten auch weitaus schwerwiegendere Szenarien im Bereich medizinischer Produkte. Atemmasken, Desinfektionsmittel und Plexiglasscheiben als Trennschutz ließen sich teilweise nur schwer beschaffen. Darüber hinaus befürchteten Pharmaexperten, dass Produktionsausfälle bei der Herstellung von Medizin in China aufgrund der Pandemie hierzulande zu Antibiotika-Engpässen führen könnten. Hat Deutschland bei vielen Grundnahrungsmitteln noch einen hohen Selbstversorgungsgrad, ist die Pharmabranche in der Wirkstoffproduktion weltweit abhängig von China. In Deutschland werden beispielsweise Basis-Antibiotika seit 2017 gar nicht mehr hergestellt, berichtet unter anderem die ÄrzteZeitung.
 

So will Deutschland erneute Versorgungsengpässe verhindern

Um ähnliche Szenarien in weiteren Viruswellen zu vermeiden, haben Deutschlands Unternehmen entsprechende Strategien entwickelt. Viele Industriebetriebe haben ihre Abläufe mittlerweile digitalisiert und gegen Unterbrechungen zusätzlich gesichert.

Dem Risikomanagement wird eine deutlich höhere Bedeutung beigemessen. Task-Force-Einheiten sollen mögliche Störungen der Lieferketten schnell ausfindig machen und möglichst schnell beheben. Der Bund hat eine Meldepflicht für Pharmakonzerne und Großhändler angestoßen, um drohende Lieferengpässe schneller zu erkennen. Ziel sei es auch, Medikamente vermehrt in Europa zu produzieren.
 


Der Einkauf als maßgebliche Instanz für Versorgungssicherheit

Damit die Versorgungssicherheit gewährleistet ist, kommt den Beschaffungsabteilungen eine tragende Rolle zu. Der Einkauf wisse nach Aussagen des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) um seine gesellschaftliche Verantwortung. Die entsprechenden Abteilungen in den Unternehmen würden nicht nur verstärkt auf alternative Lieferquellen setzen, sondern auch alternative Verkehrsträger prüfen.

Laut Jan Laakmann, Einkaufsexperte bei der HÖVELER HOLZMANN Consulting GmbH, konnte sich der Einkauf in einigen Unternehmen während der vergangenen Monate profilieren und seine Bedeutung herausstellen – sowohl intern als auch gesellschaftlich. „Die Einkäufer, die schon vor der Pandemie ihren Fokus auf Risikomanagement und Resilienz der Lieferketten gerichtet und nicht nur auf die Beschaffungskosten geachtet hatten, waren in der Krise vergleichsweise schnell und erfolgreich und haben ihren Stellenwert und ihr Ansehen erhöht. Diese Abteilungen konnten ihren Wertbeitrag deutlich steigern.“

Generell habe der Einkauf in den letzten zehn bis 15 Jahren eine gute Entwicklung durchgemacht: von einer Abteilung, die eher als Dienstleister wahrgenommen wurde bis zu einem „Sparringspartner auf Augenhöhe“. Denn es sei immer klarer geworden, dass die Beschaffung zum einen für ein hohes Maß an Profitsteigerung verantwortlich ist und zum anderen die Versorgungssicherheit und damit die Wettbewerbsfähigkeit überhaupt sichert.