Die Welt der Einkäufer hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, zum Beispiel durch Digitalisierung und Globalisierung. Wie haben sich dadurch die Anforderungen an Einkäufer verändert?

Ein gutes Bauchgefühl zu haben und seine Geschäftspartner möglichst gut zu kennen, gehörte schon immer zu den wesentlichen Eigenschaften von Einkäufern. In der globalisierten Welt ist ein genauer Check jedoch wichtiger als je zuvor. Früher kamen die Lieferanten zumeist aus dem Inland und die Beziehungen bestanden zum Teil über Jahrzehnte. Heute denken Einkäufer dagegen international und nutzen Hilfsmittel wie Onlineauktionen. Mit der zunehmenden Digitalisierung verändern sich somit die Zugriffsmöglichkeiten. Gleichzeitig wird es einfacher, seine Lieferanten zu wechseln.

Geschäftsbeziehungen sind also nicht mehr so langfristig angelegt wie früher. Was bedeutet das für die Auswahl neuer Lieferanten?

Weil ein größerer Markt auch schnell an Übersichtlichkeit verliert, Handelsbeziehungen häufig übers Internet abgewickelt werden und somit anonymer sind, wächst der Bedarf an Risikomanagement. Was, wenn sich der Lieferant, sein Tochterunternehmen oder eine Muttergesellschaft als fast insolvent entpuppt und eine pünktliche und zufriedenstellende Lieferung somit nicht garantiert ist? Einkäufer sollten somit dafür Sorge tragen, dass die reibungslosen Prozesse in der Supply Chain nicht durch unzuverlässige Geschäftspartner gefährdet werden.

Wie kann ein Einkäufer herausfinden, ob ein Lieferant ein zuverlässiger Geschäftspartner ist?

Ein finanzieller Background-Check ist hierfür essenziell. Ein Blick in die Bilanzen bzw. die Jahresumsätze, Auskünfte über die Geschäftsleitung der Business-Partner sowie Compliance Checks bei neuen und alten Wegbeleitern geben Aufschluss über die Zuverlässigkeit ihrer Lieferbeziehungen. Viele Einkäufer setzen deshalb auf Wirtschaftsauskunfteien, um tiefergehende Informationen über ihre Geschäftspartner zu erhalten. Sie greifen dabei unter anderem auf öffentlich verfügbare Quellen wie das Handelsregister, den Bundesanzeiger, veröffentlichte Bilanzen, Branchenverzeichnisse, Daten aus Inkassobüros oder Websites zurück. Dies ist für Einkäufer nicht nur dann relevant, wenn neue Lieferketten aufgebaut werden, sondern auch bestehende Partnerschaften überprüft werden sollen. Auch bei der eigenen Firmenexpansion oder Internationalisierung stehen Einkäufer vor der Herausforderung, mit der Wahl der richtigen Lieferpartner einen zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten.

Bedeutet dies, dass die persönliche Kontaktpflege heutzutage an Bedeutung verloren hat?

Nein, nach wie vor spielt der persönliche Kontakt eine wichtige Rolle.  Wirtschaftsauskunfteien sind vielmehr ein zusätzlicher Baustein im Risikomanagement und ergänzen die persönliche Kontaktpflege der Einkäufer mit zusätzlichen Informationen. Zu den wichtigsten Eigenschaften der Einkäufer gehören heutzutage daher nicht nur bestimmte Soft Skills und eine gute Beziehung zu den Lieferanten, sondern auch der Zugriff auf Daten, um das erste Bauchgefühl zu bestätigen. Daher ist es für Unternehmen bedeutend, sich über ihre Erwartungen und Bedingungen bewusst zu werden und sich über die Konditionen und Leistungen der verschiedenen Anbieter zu informieren.

Worauf sollte ein Einkäufer bei der Entscheidung für eine Wirtschaftsauskunftei achten?

Alle Wirtschaftsauskunfteien greifen in der Regel auf dieselben allgemein zugänglichen Daten zurück. Trotzdem unterscheiden sich die unterschiedlichen Anbieter in ihren Dienstleistungen - bei der Auswahl des richtigen Partners gibt es daher einige Punkte zu beachten: Die Angebotspalette reicht in der Regel von Unternehmensdaten, Frühwarnsystemen bis hin zu Informationen zur Compliance der Geschäftspartner oder Inkasso-Services. Ein großer Unterschied liegt zudem in der Aufbereitung der verfügbaren Informationen. Manche Anbieter erlauben eine kostenlose Erstauskunft, damit die Kunden ein Gefühl für die Form der Datenpräsentation bekommen.Bei manchen Auskunfteien ist das Preismodell so angelegt, dass die Unternehmen pro Anfrage bezahlen. Fragen verschiedene Abteilungen an, kann dies zu deutlich höheren Kosten führen, da sich die Preise für die Auskünfte addieren. Viele Unternehmen setzen daher einige wenige Bevollmächtigte ein, die Zugriff auf die Daten bekommen – gerade für Einkäufer ist dies jedoch oft wenig hilfreich, da sie sich selbst einen Eindruck von ihren Geschäftspartnern bilden müssen.

Wie sollten stattdessen die Informationen in die Arbeitsprozesse des Unternehmens integriert werden? 

Für Einkäufer spielt es eine große Rolle, dass sie selbst die Informationen einsehen können, um ein genaues Bild der Lieferanten zu erhalten. Es kann sich in diesem Zusammenhang lohnen, eine Vollauskunft einzuholen, um verschiedene Abfragen von unterschiedlichen Abteilungen nicht mehrfach bezahlen zu müssen. Unternehmen sollten daher nach Festpreis-Modellen Ausschau halten, bei denen anhand eines geschätzten Bedarfs ein Jahresbetrag ermittelt wird, für den die Einkäufer dann beliebig viele Auskünfte einholen können und somit Budgetsicherheit erhalten.